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Sport: Die Crux Champions League

Gut, dass sich Sir Bobby Charlton seine russische Fellmütze über beide Ohren gezogen hatte. Es war das einzig Erwärmende, das dieser lausige Dienstagabend auf der Ehrentribüne des Münchner Olympiastadions bereit hielt für das englische Beckenbauer-Pendant.

Gut, dass sich Sir Bobby Charlton seine russische Fellmütze über beide Ohren gezogen hatte. Es war das einzig Erwärmende, das dieser lausige Dienstagabend auf der Ehrentribüne des Münchner Olympiastadions bereit hielt für das englische Beckenbauer-Pendant. 1:1 endete das Spiel zwischen Bayern München und Manchester United - ein 0:0 wäre der Veranstaltung gerechter geworden.

Ewig-Gestrige pflegen in solchen Momenten an die alte Europapokalregelung zu erinnern, die furchtbar einfach und meist auch furchtbar spannend war. Das erste Zwischenrundenspiel der Gruppe A der diesjährigen Champions League war das Gegenteil davon. Es standen zwei Mannschaften auf dem Platz, die mit soviel Leidenschaft zu Werke gingen wie alternde Wirtschaftsprüfer. "Eine hundertprozentige Erklärung habe ich dafür auch nicht", sagte Uli Hoeneß. Tatsächlich, Uli Hoeneß sagte das, der, der sonst immer hundertprozentige Erklärungen parat hat.

Immerhin bemühte sich der Manager des FC Bayern um eine Sinndeutung des mageren Matches. Er suchte die Schuld beim Gegner: "Ich finde es schon komisch, dass eine Mannschaft wie Manchester United hier spielt wie St. Pauli und sich mit zehn Mann hinten reinstellt." Nun, es war schon David Beckham auf der rechten Seite und nicht André Trulsen, aber allzu komisch fand das kaum jemand im Olympiastadion. Zu lethargisch wirkten beide Teams, das Fehlen einer konkreten Bedeutung des Spiels machte aus dem Klassiker einen Durchschnittskick. Abgerechnet wird erst Ende März. Das merkte man am 20. November.

Mit "fehlendem Rhythmus nach der Länderspielpause" begründete Hoeneß nach einigem Überlegen die müde Vorstellung. "Verschleißerscheinungen" führte Ottmar Hitzfeld als Ursache an - nicht etwa die verfrühte Rückkehr der Leitfigur Stefan Effenberg. Schon nach seinem Kurz-Comeback in Bremen - der ersten Niederlage seit dem Saisonauftakt in Mönchengladbach - hatte die lokale Presse mit dem Finger auf den Kapitän gezeigt und ihn als Störfall im harmonisch-rotierenden Bayern-System ausgemacht. Beim Spiel gegen Manchester blieb er den Gegenbeweis schuldig. Das Publikum pfiff ihn gnadenlos aus. "Solche Pfiffe tun natürlich weh", sagte Effenberg. "Aber wenn die Leute Spaß daran haben, sollen sie es tun. Ich mache mein Ding weiter, genauso wie ich das die letzten dreieinhalb Jahre getan habe." Ottmar Hitzfeld war "froh, dass Stefan 65 Minuten mitgespielt hat", doch der Trainer wird wissen, dass genau hier das Problem liegt. Effenberg hat eben mitgespielt, mehr nicht. "Wenn etablierte Spieler zurückkommen, die nicht fit sind, ist man in einem Dilemma", erkannte Hoeneß. "Fit werden sie nur durch Spiele und nicht durch Training."

Einen großen Fortschritt kann Effenberg von der Begegnung mit dem Englischen Meister also nicht erwarten. Zu sehr ähnelte sie in Sachen Aggressivität und Wille einem besseren Trainingsspiel. "Vielleicht hätten wir Manchester früher unter Druck setzen sollen", sagte Hoeneß. Eine mäßig gewagte Vermutung, der er gleich noch eine zweite folgen ließ: "Vielleicht ist die Abwehr gar nicht so stark." Hätten Hoeneß & Co. vorher auf die Tabelle der Premier League geschaut - aus der Vermutung wäre schnell Gewissheit geworden. Nur fünf Mannschaften haben in England mehr Gegentreffer kassiert als Manchester United in dieser Saison, nur vier der letzten 13 Champions-League-Spiele hat das Team aus Old Trafford gewonnen. Sir Alex Ferguson, der, wie es scheint, im Herbst seiner Trainertätigkeit in Manchester angelangt ist, wusste das schon vorher: "Der FC Bayern ist eine der besten Mannschaften Europas. Die Münchner sind Favorit." Beinahe hätte die Rudi-Assauer-Taktik, sich an die Außenseiterrolle zu klammern, Früchte getragen. Doch dazu war die Tagesform der Bayern letztlich nicht schlecht genug. "Eine normale Leistung wird nicht zum Sieg reichen" - mit dieser Einschätzung hatte Hitzfeld vor dem Spiel geirrt. Beinahe hätten ganze fünf passable Minuten zum Schluss noch für den Sieg gereicht. Nun, halb so schlimm, meint Oliver Kahn, "früher oder später werden wir uns auch in dieser Gruppe durchsetzen." Meistens hat Kahn Recht.

Die Briten konnten dem Remis freilich ebenfalls Positives abgewinnen. "Unser Ziel war es, ein gutes Ergebnis zu erreichen und besseren Fußball zu spielen als bisher in dieser Saison. Besseren Fußball haben wir gezeigt", sagte David Beckham. Das Ergebnis entsprach seinen Vorstellungen nicht ganz. So müssen die United-Fans weiter auf einen Sieg auf deutschem Terrain warten. 1965/66 gelang das zuletzt, beim FC Vorwärts im Osten Berlins. Bobby Charlton war auch dabei, ohne Mütze.

Daniel Pontzen

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