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Sport: Die Daum-Tragödie: Schweigen am Tag danach

Der Tag danach war trüb. Nebel und Nässe verschleierten diesen Sonntag, Ruhe lag über München, wo, wie überall in Deutschland, in den Tankstellen die sonntäglichen Zeitungen in riesigen Buchstabenbalken von Skandal und Drogen kündeten.

Der Tag danach war trüb. Nebel und Nässe verschleierten diesen Sonntag, Ruhe lag über München, wo, wie überall in Deutschland, in den Tankstellen die sonntäglichen Zeitungen in riesigen Buchstabenbalken von Skandal und Drogen kündeten. Recht ruhig war es derweil auch am Trainingsgelände des FC Bayern. Die Kicker liefen aus, die übliche Schar von Fans wartete geduldig, hinter die Absperrung gepfercht, auf ein wenig Nähe zu den Stars und Autogramme.

Vor der Absperrung warteten andere Menschen, mit Mikrofonen und Schreibblöcken bestückt, auf Aussagen. Vielleicht von einem Nationalspieler, oder auch - warum nicht - von Uli Hoeneß. Doch der Manager des FC Bayern hielt sich gestern natürlich fern von seinem belagerten Arbeitsplatz, so viel konnte man erwarten. Vielleicht sagt er am Montag etwas, wenn überhaupt.

Vielleicht saß Uli Hoeneß zu diesem Zeitpunkt gerade zu Hause beim Frühstück, blätterte in den Gazetten und dachte nach über seine medial vollzogene Metamorphose der letzten drei Wochen vom Paulus zum Saulus, vom Saulus zum Paulus und nochmals retour. Jetzt lächeln sie wieder ein wenig selbstzufriedener beim FC Bayern München, und Pressesprecher Markus Hörwick verkündete schon, dass er gespannt sei, wie lang wohl die Schlange derer werde, die sich entschuldigen würden. Und Zeitungen kramen Worte hervor, die Uli Hoeneß zu Beginn jener unseligen Affäre herumplauderte: "Der deutsche Fußball wird mir noch dankbar sein." Und: "Viele werden sich bei mir entschuldigen müssen."

Vielleicht aber hat Uli Hoeneß auch seinen Terminkalender auf Vordermann gebracht. Dort stand vermutlich noch ein Eintrag für den Sonntag, etwa so: "Christoph Daum wg. Entschuldigung". Den Termin soll es gegeben haben. Jetzt ist er durchgestrichen. Überflüssig.

Die Spieler hielten sich zurück, nachdem sie sich die krisenbewältigenden zwei Siege der letzte Woche aus den wertvollen Waden gelaufen hatten. Die deutschen Nationalkicker sagten gar nichts, nur Giovane Elber aus Brasilien und Hasan Salihamidzic aus Bosnien-Herzegowina waren überhaupt bereit zu sprechen. Salihamidzic freute sich darauf, nach dem 3:1-Sieg im Stadtderby gegen die ungeliebten Nachbarn vom TSV 1860, sich "wieder guten Gewissens in der Stadt blicken zu lassen". Ach ja, das große Münchner Spiel war ja am Sonnabend auch noch. Aber wer hat das schon registriert?

"Die Sache mit Christoph Daum ist eine ganz schwere Situation. Wir Profis sollten Vorbild sein für Jugendliche, auch ein Trainer", bilanzierte Giovane Elber. Und: "Ich habe auch nicht geglaubt, dass das passiert. Auf einmal kommt das alles raus. So ist das Leben." Giovane Elber meldete an jenem ominösen Sonnabend nicht nur sich selbst mit zwei prächtigen Toren eindrucksvoll und endgültig zurück. Er schoss damit auch den FC Bayern München aus der Krise. An einem sonnigen Nachmittag im Herbst kehrte sich somit auch die sportliche Welt der Münchner um - von furchtbar in sonnig. Souverän in der Champions League (fast in der nächsten Runde). Und furios in der Bundesliga (Münchner Stadtmeister und Tabellenführer). So kann das Leben mitunter auch sein. Verrückt.

Vielleicht rekapitulierte Uli Hoeneß am nebligen Münchner Sonntag auch noch mal diesen Sonnabend. Wie er von der Nachricht aus Leverkusen erfuhr, wie er sich zufrieden auf die Auswechselbank lümmeln konnte, die Fans ihn ein ganzes Spiel lang feierten und schließlich die Mannschaft fast so spielte, als hätte es nie drei Niederlagen hintereinander ohne Torerfolg gegeben. Sein lässiges Winken ins Publikum, der entspannte Blick, der unbekümmerte Jubel bei den Toren. Und wie er dazu nichts sagte, sich diesmal nicht den Mund verbrennen mochte.

Diesmal nicht.

Und doch jeder ahnte, wie er jetzt fühlen würde. Die "Abteilung Attacke" kann wohl demnächst wieder eröffnet werden.

Detlef Dresslein

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