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Sport: Die demokratische Offensive

Unter Dieter Hecking spielt Aachen nicht nur erfolgreich, sondern auch schön

Am Wochenende hat Dieter Hecking erfahren, welch geradezu kultische Verehrung einem Trainer von Alemannia Aachen zuteil werden kann. Die Aachener spielten gegen Rot-Weiß Oberhausen, doch für einen Teil der Fans war das Geschehen auf dem Platz weit weniger wichtig als das Gedenken an den verstorbenen Trainer Werner Fuchs. Seit dessen Tod vor fünf Jahren hängt bei jedem Spiel der Alemannia eine schwarz-gelbe Fahne am Zaun: „In Memoriam Werner Fuchs“. Gegen Oberhausen aber wurde das Anbringen der Fahne untersagt, weil sie einigen Zuschauern die Sicht versperrt hätte. „Wir woll’n die Fahne seh’n“, sangen die Fans voller Wut. Oder: „Werner Fuchs, du bist der beste Mann.“ Dieter Hecking, der aktuelle Trainer der Alemannia, war „innerlich begeistert“ über so viel Dankbarkeit: „Das zeigt mir, dass ich beim richtigen Verein gelandet bin.“

Umgekehrt denken sie das in Aachen inzwischen auch. „Es passt gut zusammen“, sagt Jörg Schmadtke, der Sportdirektor. In der Zweiten Liga bewegt sich der Verein wieder in der Nähe der Aufstiegsränge. Keine Mannschaft hat mehr Tore erzielt, nur Tabellenführer Fürth hat weniger kassiert, und im Uefa-Cup besitzt der Klub sogar die Chance, die Gruppenphase zu überstehen. Heute (21.30 Uhr) tritt Aachen beim FC Sevilla an. „Was wir bis jetzt gespielt haben, ist sensationell“, sagt Hecking.

Sensationell war für die Aachener schon die vergangene Saison, als sie im Pokalfinale standen und erst am letzten Spieltag den Aufstieg in die Bundesliga verbaselten. Im Sommer aber gingen Leistungsträger, zwölf neue Spieler kamen, dazu der 40 Jahre alte Hecking als Nachfolger von Jörg Berger. Doch die Aachener sind nicht nur so erfolgreich wie im vorigen Jahr, sie spielen jetzt auch einen „sehr attraktiven Fußball“, wie Schmadtke sagt.

Heckings reine Offensivlehre war am besten im Uefa- Cup-Gruppenspiel gegen den französischen Spitzenklub OSC Lille zu beobachten. „So eine gute halbe Stunde habe ich noch nie gesehen“, sagt Hecking über die ersten 30 Minuten. Die Taktik hatte er zuvor basisdemokratisch mit der Mannschaft festgelegt. Die Spieler sollten selbst entscheiden, ob sie lieber abwartend spielen oder den Gegner wie immer mutig attackieren wollten. „Die Trainer sind heute so weit, dass sie ihre Spieler auch mal fragen können“, sagt Hecking. „Ihre Meinung ist mir schon wichtig.“ Gegen Lille jedenfalls wählte seine Mannschaft die offensive Variante. „Sie finden selbst Spaß an diesem Spiel“, sagt Hecking. Aachen gewann 1:0.

Hecking hat noch im Rausch dieses Erfolges behauptet: „Es gibt zurzeit in Deutschland zwei geile Teams, die den Spaß am Fußball verkörpern.“ Neben Mainz meinte er damit seine eigene Mannschaft. Schmadtke hält das zwar für übertrieben, trotzdem gibt es Parallelen. Mit Jürgen Klopp, dem Trainer der Mainzer, telefoniert Hecking gelegentlich. Beide gehören demselben Jahrgang an, haben früher zusammen in der Hessen-Auswahl gespielt und den Großteil ihrer fußballerischen Karriere in der Zweiten Liga verbracht. Was aber noch viel wichtiger ist: Beide verkörpern glaubhaft die Leidenschaft für den Fußball.

Ein bisschen Glück hatten die Aachener, dass Hecking überhaupt bei der Alemannia gelandet ist. Obwohl er mit dem VfB Lübeck gerade in die Regionalliga abgestiegen war, hatte er vor der Saison Angebote aus Burghausen und Unterhaching. Am Abend, bevor er sich entscheiden musste, rief ihn Schmadtke an. Hecking sagte sofort zu. „Er war eine meiner ersten Optionen“, sagt Schmadtke. Dass sie befreundet sind, wie es in Aachen verbreitet wird, sei eine Mär, aber „in den vergangenen Jahren haben sich unsere Wege ein paar Mal gekreuzt“. Auch indirekt. Wenn Alemannias Sportdirektor mit Spielern verhandelt hat, bekam er häufiger zu hören: „Der Hecking von Lübeck war auch schon da.“

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