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Sport: Die deutsche Delegation versagt in Mexiko und gefährdet damit die deutsche Bewerbung für die WM 2006

Am Ende ist der Teamchef froh, "dass alles vorbei ist. Für die Spieler ist das wie eine Erlösung", sagt Erich Ribbeck.

Am Ende ist der Teamchef froh, "dass alles vorbei ist. Für die Spieler ist das wie eine Erlösung", sagt Erich Ribbeck. Er verlässt als Letzter das Trainingsgelände in Guadalajara, jener Stadt, in der sich die deutsche Fußball-Nationalmannschaft so schwer blamiert hat wie lange nicht. Niederlagen gegen Brasilien (0:4) und die USA (0:2), ein kümmerlicher Sieg über den Fußball-Zwerg Neuseeland - der Konföderationen-Cup in Mexiko war ein Debakel. "Das war im Prinzip verlorene Zeit", knurrte Ribbeck. "Ich muss als Verantwortlicher ausbaden, was irgendwo vorher versäumt wurde."

Franz Beckenbauer weiß, dass diese Worte auf ihn gemünzt sind. Der DFB-Vizepräsident hat die Teilnahme am Konföderationen-Cup forciert wie kein anderer. Mittlerweile dämmert ihm, dass das keine besonders gute Idee war. "Wir müssen jetzt aufpassen, dass nicht zu viel Mitleid aufkommt", hat er im "Aktuellen Sportstudio" gesagt. "Man wird jetzt schon angesprochen: Was ist los bei euch, selbst wenn es nicht die erste Garnitur war, müsst ihr doch Spieler haben, die einen Ball stoppen und in die richtige Richtung bewegen können."

Ribbeck hört zu und schweigt. Er hätte sich wehren können gegen diese Dienstreise, aber er hat es nicht getan, er hat sie loyal mitgetragen. Er weiß, dass vor allem sein Name mit den denkwürdigen Tagen in Mexiko in Verbindung gebracht wird. Die Berliner Boulevardzeitung "BZ" hat am Sonntag schon mal das Faksimile eines auf Erich Ribbeck ausgestellten Flugscheins abgedruckt, versehen mit dem Hinwies: "Herr Ribbeck, das ist Ihr Ticket zurück nach Teneriffa."

Unterdessen bastelt der heimliche Chef der deutschen Delegation weiter an seiner Selbstinszenierung. Beim Abschlusstraining in Guadalajara hat Lothar Matthäus noch einmal einen Abstecher zur abseits stehenden Presse eingestreut. Er ist eben mal - rein zufällig - vorbeigekommen, der Lothar Matthäus, um seine Botschaft hinters Gitter zu tragen: "Männer, also okay!"

In diesem Moment erreicht die Täter-Opfer-Diskussion anlässlich des Konföderationen-Cups ihren Höhepunkt. Die Mission ist gescheitert, in sportlicher wie in sportpolitischer Hinsicht. Denn das Auftreten der deutschen Mannschaft beim Konföderationen-Cup hat nicht nur dem Ansehen des deutschen Fußballs geschadet, sie hat auch noch die deutsche Bewerbung für die WM 2006 ins Trudeln gebracht. Jetzt, nur 24 Stunden nach dem Aus, will niemand mehr etwas zu tun haben mit der Entscheidung, mitten in der kräftezehrenden Saison-Vorbereitung ins heiße und hoch gelegene Mexiko zu reisen. Das gilt für Trainer, Funktionäre, Spieler und natürlich auch für Lothar Matthäus. Der sagt stellvertretend für alle: "Für uns war es nicht das Wichtigste, diesen Konföderationen-Cup zu gewinnen."

Bei der Ankunft in Frankfurt geben sich die Spieler zugeknöpft. Interview-Wünsche werden ignoriert. 30 000 Mark hat jeder bekommen. Das ist eine hübsche Prämie für den individuellen Anteil am kollektiven Versagen, aber darüber mochte am Tag danach niemand reden. Wirkliche Gewinner gab es auf dieser Reise ohnehin nicht. Für Reiner Calmund, den Manager von Bayer Leverkusen, ist "die Sache in 14 Tagen wieder vergessen. Wenn der Körper nicht voll ist, ist auch die Rübe nicht voll. Dann passieren eben eben Dinge wie hier." Wahrscheinlich auch solche wie im Dezember 1998, als sich alle Bundesligisten nach Beckenbauers Vorschlag für die Reise nach Mexiko entschieden. Ein schlechtes Gewissen hat Calmund deshalb nicht. "Bei Siegen halten wir auch die Fahne hoch, also können wir uns jetzt nicht aus der Verantwortung stehlen. Wir sind mit im Boot gesessen, aber wir hätten auch nicht den Knüppel rausholen können."

Natürlich wollen auch die Vereine der Bundesliga die WM 2006. Ihre maroden Stadien können sie kaum günstiger modernisieren als mit den im Falle eines WM-Zuschlags fließenden öffentlichen Mitteln. Es geht um neue Infrastrukturen und viel Geld. Vor allem dieses Argument hat die Bundesligisten trotz schwerwiegender Bedenken dazu bewogen, ihre Stars für den Konföderationen-Cup abzustellen - vorbehaltlich jener Drei-Mann-Regel, die dafür verantworlich war, dass in Mexiko eine vom Proporzdenken geprägte Nationalmannschaft auflief. Immerhin kamen damit ^auch Klubs wie Arminia Bielefeld oder Eintracht Frankfurt zu der im gegebenen Fall allerdings zweifelhaften Ehre, einen Nationalspieler zu beschäftigen. Und alle Beteiligten hatten eine nette Ausrede zur Hand.

Insgesamt habe dem Unternehmen der positive Grundgedanke gefehlt, moniert Reiner Calmund. "Und wenn ich nicht positiv denke, dann kann ich auch nichts erreichen. Was wäre denn gewesen, wenn wir weitergekommen wären?" fragt der gewichtige Bayer-Manager und antwortet selbst: "Wir wären mit fünf angeschlagenen Stammspielern nach Mexiko-Stadt gegangen und hätten im ausverkauften Azteken-Stadion in der Mittagshitze vor 100 000 Zuschauern ausgerechnet gegen Mexiko antreten müssen. Das ist ungefähr so, also würde man die Spieler durch den Fleischwolf drehen." Immerhin das ist den Deutschen beim Konföderationen-Cup erspart geblieben.

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