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Sport: Die Deutschen und ihre Nationalelf: "Die Deutschen sind hedonistischer und egoistischer geworden" - Friedrich Küppersbusch über den Bedeutungswandel des Fußballs

Friedrich Küppersbusch (39) ist Journalist, Autor und Fußballfan. Er lebt in Dortmund und ist bekennender Borussen-Anhänger.

Friedrich Küppersbusch (39) ist Journalist, Autor und Fußballfan. Er lebt in Dortmund und ist bekennender Borussen-Anhänger.

Haben Sie Mitleid mit der deutschen Elf?

Nein. Warum? Ich habe schon schlechtere deutsche Spiele als das gegen Rumänien gesehen. Sie haben gekämpft, immerhin.

Wenn man einen Blick in die Zeitungen wirft, scheint Matthäus zum Mülleimer der Nation zu werden.

Eigene Schuld. Matthäus hat sich schon bei der WM 1998 von Beckenbauer gegen den Widerstand von Vogts in die Mannschaft schreiben lassen. So wurde die deutsche Elf zu einem Spielsystem mit Libero gezwungen, das nicht zukunftsfähig ist. Das Resultat sieht man jetzt. Gegen Rumänien musste Kahn drei Mal weit vor seinem Tor retten. Das waren drei Abseitsfallen, die nicht funktionierten. Und das liegt am Libero.

Zu alt, zu langsam - eine versäumte Moderniserung?

Ja, da ist die deutsche Wirtschaft weiter.

Viele meinen, das Problem der deutschen Elf ist, dass Matthäus spielen darf und Effenberg nicht spielen will...

Effenberg ist ein interessanter Fall, weil er eine gesellschaftliche Veränderung spiegelt. Die Deutschen sind hedonistischer geworden. Und egoistischer. Damit verschwindet, was man früher die deutschen Tugenden nannte: Disziplin und der Wille, sich dem großen Ganzen unterzuordnen. Effenberg hat es heute einfach nicht nötig, in der Nationalmannschaft zu spielen. Es bringt kein Geld - und in der Champions League gut zu spielen, ist wichtiger.

Die Nationalmannschaft ist nicht mehr so bedeutend wie vor zwanzig Jahren?

Fußball insgesamt ist in Deutschland nicht mehr so wichtig. Erstens gibt es mehr Konkurrenz wie Tennis und Motorsport. Und Fußball als Sport der underdogs, wo die eine Chance bekommen, die sonst keine Aufstiegsmöglichkeit haben, existiert nicht mehr. Das kann man an den Biographien der Spieler ablesen. Das zeigt Bierhoff, seines Zeichens Milliardärssohn. Es gibt keine Spieler mehr, deren Lebensinhalt Fußball ist. Deshalb ist auch die Unbedingtheit weg. Und das spiegelt sich in der Reaktion des Publikums. Wenn die Unseren gewinnen, ist man begeistert. Wenn nicht, wird man schnell zynisch. Das ist eine Art von Identifikation, die auch jeder dahergelaufene Bayern München-Fan hat. Die ist nicht tief.

Die Nation wird unwichtiger, die Nationalelf auch?

Ja, das Endspiel in Bern 1954 war vielleicht die eigentliche Gründung der westdeutschen Nation. Weil wir sonst nichts hatten, worüber wir uns definieren konnten, wurde die Nationalmannschaft ein Symbol. Solche Überhöhungen sind weg. Was soll diese Mannschaft heute manifestieren? Welchem Lebensgefühl soll sie Ausdruck verleihen? Ich kenn keins.

Haben Sie Mitleid mit der deutschen Elf?

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