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Sport: Die dreiste Generation

Warum sich die Talente von Hertha BSC im Abstiegskampf der Berliner etablieren konnten

Berlin Alexander Madlung ließ sich zu einer fiesen Geste hinreißen. Er legte die Hände hinter seine Ohren und klappte sie nach vorn. „Ich kann euch nicht hören!“, sollte das heißen. In dieser Haltung lief der Fußballer von Hertha BSC nach seinem Tor auf die Tribüne zu – auf die der schockierten Münchner Fans.

Natürlich hätte Madlungs hämischer Jubel etwas dezenter ausfallen können angesichts der Dramatik im Münchner Olympiastadion. In jenen Sekunden war Hertha BSC gerettet und der TSV 1860 quasi abgestiegen. Und so schwiegen die Münchner Zuschauer auch nicht lange, sondern riefen dem Berliner ein paar derbe Worte entgegen, als er schließlich mit weit ausgebreiteten Armen vor ihrer Tribüne stand.

Alexander Madlung, 21 Jahre alt, gehört zu Herthas neuer dreister Jugend, zu den Spielern, die als einzige in den vergangenen Monaten vom Abstiegskampf profitiert haben. „Ich habe in einem Jahr so viel gelernt wie andere in fünf Jahren“, sagt Madlung. Nach dem Abpfiff in München hing Manager Dieter Hoeneß an seinen Schultern, am nächsten Morgen titelte der Boulevard: „Unser Retter.“

Das entscheidende Kopfballtor im entscheidenden Spiel steht für den Verlauf der gesamten Saison. Madlung war es, der für Hertha BSC nach den ersten fünf torlosen Saisonwochen das erste Pflichttor erzielte. Beim DFB-Pokalspiel in Reutlingen traf er per Kopf. Und als den Berlinern im Herbst partout kein zweites Tor gegen Borussia Mönchengladbach gelingen wollte, war es Madlung, der den Siegtreffer 15 Sekunden nach seiner Einwechslung erzielte. Natürlich per Kopf.

Madlung ist mit 1,93 Meter Körpergröße der längste Spieler im Kader der Berliner. Das kommt ihm in der Innenverteidigung entgegen; so hat er vor eineinhalb Wochen auch Dortmunds Stürmer Jan Koller ausgeschaltet. Doch Kopfballstärke und ein kantiger Körper sind nicht alles, was aus einem Talent einen Bundesligaspieler macht.

Es war nur konsequent, wie Madlung nach seinem Tor in München gejubelt hat. Frank Vogel, der Nachwuchskoordinator von Hertha BSC, sagt, dass „die heutige Generation weniger Respekt vor Älteren und vor Hierarchien hat“. Im normalen Leben wirke sich das negativ aus, „auf dem Fußballplatz ist die Eigenschaft positiv“. Als sich Madlung jedenfalls mit Dortmunds erfahrenem tschechischen Nationalspieler Koller auseinander setzen durfte, wirkte Madlung alles andere als ängstlich. „Ich versuche, mich zu konzentrieren, und mache meinen Job“, sagt Madlung. Deshalb wollte er nach seinem Tor in München zwar jubeln, aber vor den Fernsehkameras nicht reden. „Dafür bin ich noch zu jung.“ In der Mannschaft, bei den Älteren, kommt so etwas an.

Madlung ist einer von vier jungen Nachwuchskräften, die sich in dieser Saison durchgesetzt und ältere, verunsicherte Spieler wie Michael Hartmann und Marko Rehmer verdrängt haben. Die Abwehrspieler Malik Fathi, Dennis Cagara und, mit Abstrichen, Sofian Chahed gehören zum festen Bestandteil der Mannschaft.

Herthas Manager Hoeneß hat auch in München von einem „Umbruchjahr“ gesprochen, das der Klub in der neuen Saison durchmachen werde. Deshalb freute sich Hoeneß, dass mit Madlung einer der Jungen getroffen hatte. „Das zeigt, dass bei uns wirklich was nach oben kommt.“

Nach oben – das ist der Weg zu den Profis. Hertha will seinen Kader umstrukturieren, hat aber so wenig Geld, dass es fast nur mit eigenen Talenten geht oder mit Spielern, die ablösefrei oder billig zu haben sind. Der Klub sucht vor allem einen defensiven Mittelfeldspieler. Hartnäckig hält sich seit Tagen der Name des Spielers Petr Ruman, der für Greuther Fürth bisher 16 Tore in der Zweiten Liga erzielt hat. Vier Talente von Hertha BSC sind zwar mit einem Anschlussvertrag ab 2005 für die Profis ausgestattet, doch kurzfristig traut man ihnen den Sprung in die Bundesliga noch nicht zu.

Trotzdem wird Herthas neuer Trainer Falko Götz in der kommenden Saison einen jungen Berliner im Kader zur Verfügung haben, der aus Herthas Jugend stammt, aber lange keine Rolle gespielt hat: Thorben Marx. Der 22-Jährige hatte sich vor einem halben Jahr das Kreuzband gerissen, ist nicht nervös geworden – und soll am Samstag gegen Köln sein Comeback geben.

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