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Hallo, hörst du mich? Offensichtlich lief es mit der Kommunikation zwischen Don Jackson und dem Team um Kapitän Stefan Ustorf (links) schon mal besser. Foto: City-press

© City-Press GbR

Sport: Die Eisbären verlieren sich

Das System Jackson ist in der Krise: Spieler und Trainer machen sich gegenseitig Vorwürfe

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Berlin - Der Chef schimpfte über sein Personal. In einem Unternehmen kann das der Anfang vom Ende sein. Für das Personal – oder den Chef. Egal. Don Jackson beschäftigte sich mit derlei Feinheiten nicht. Er polterte am späten Freitagabend einfach drauflos. Sein erster Prügel-Kandidat war Alexander Weiß. Der entwickele sich zurück, sagte der Trainer der Eisbären. „Er muss jetzt mal in sich gehen und sich fragen, warum das so ist.“ Und Constantin Braun erst: „Der hat sich ja in den ersten Minuten schon fünf Mal aufs Eis gepackt. So schlecht wie heute habe ich den noch nie gesehen.“ Und warum? Ja, warum eigentlich dilettieren die Eisbären, der große Favorit auf den Meistertitel in der Deutschen Eishockey-Liga, nur so vor sich hin? Jackson wollte die Frage nicht beantworten: „Das müssen die Spieler machen.“

Die Spieler beantworten bei den Eisbären derzeit gar nicht so gerne irgendetwas. Nach dem peinlichen 0:2 gegen den als Tabellenvorletzter angereisten ERC Ingolstadt berichtete der vom Trainer so gescholtene Constantin Braun am Freitag zwar etwas über den „tollen Zusammenhalt der Mannschaft und die „gute Atmosphäre unter den Spielern“, über den Coach allerdings erzählte er – nichts. Andere Berliner Profis tragen ihre Meinung über den US-Amerikaner deutlicher zur Schau. Hier flucht ein Spieler über den Trainer, weil der ihn zu selten einsetzt, da beschwert sich ein anderer Spieler über die Trainingsmethoden des Coachs. „Wir machen zu wenig“, sagt er. „Ich weiß nicht, was ich dazu noch sagen soll. Komisch alles.“

Der Trainer schimpft über die Spieler, die Spieler schimpfen über den Trainer. Es ist nicht zu übersehen, dass bei den Eisbären etwas gehörig schiefläuft. Durch die Niederlage gegen Ingolstadt – der sechsten im 13. Saisonspiel – finden sie sich vor der Begegnung mit den Adler Mannheim am Sonntag (19.05 Uhr, live bei Sky) im Tabellen-Nirgendwo wieder. Doch Rang acht ist nur ein Ausdruck für die aktuelle Krise der Berliner. Es mangelt am unbedingten Willen, die Begegnungen zu gewinnen und Rückstände aufzuholen, es mangelt an der Einstellung. „Vielleicht sind einige zufrieden mit dem bisher Erreichten“, sagt Jackson. „Wir sind momentan jedenfalls nicht in der Lage, auf Drucksituationen die richtige Antwort zu geben.“ Und der Trainer selbst schafft es offenbar nicht mehr, die letzte Leistungsbereitschaft in seinen Profis zu wecken. Vor allem die einstigen Stärken der Berliner sind irgendwo zwischen Siegessättigung und den zunehmend lauten Ansprachen des Coachs verloren gegangen. Die Dynamik: dahin; das Unterzahlspiel: klappt nicht wirklich; das Überzahlspiel: noch weniger. Wirklich neu ist dieses Phänomen im Verein nicht.

Einige dürfte die aktuelle Situation an die Spielzeit 2006/2007 erinnern, an deren Ende Trainer Pierre Pagé den Klub im Zwist mit Spielern und Manager verließ. Nach fünf Jahren Eisbären hatte sich das System Pagé aufgebraucht; der Coach war mit seinen Ideen am Ende. Seinem Nachfolger könnte es in seinem vierten Jahr in Berlin und nach zwei Meistertiteln ähnlich ergehen. Schuld daran ist Jackson aber nur zum Teil. Struktur und Philosophie des Berliner Klubs begünstigen die derzeitige Entwicklung. Denn anders als bei vielen Konkurrenten bekommt das angestammte Personal bei den Eisbären kaum Druck von nachrückenden Spielern zu spüren; die Personalpolitik ist zu statisch, die Mannschaft hat ihr Gesicht in der Ära Jackson kaum verändert. „Wir brauchen mehr Spieler, die für Konkurrenz im Team sorgen und die Verantwortung während eines Spiels übernehmen“, sagt auch Don Jackson. „Letztes Jahr war mein Team in punkto Power und Fähigkeit besser. Warum das dieses Jahr nicht so ist? Keine Ahnung.“

Wenn nicht mal der Trainer weiß, warum seine Mannschaft vor sich hin verliert, sind Sorgen um den Zustand der Eisbären erlaubt. Und um die Zukunft des Chefs?

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