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Hup, Holland, hup! Virgil van Dijk (l.) und Quincy Promes sorgen mit ihren Toren gegen Deutschland für den Gruppensieg.

© John MacDougall/AFP

Die Elftal hat ihre Krise überwunden: Holland überzeugt mit deutschen Tugenden

Anfang des Jahres noch lag der holländische Fußball am Boden. Inzwischen hat Bondscoach Ronald Koeman wieder ein Team mit Perspektive.

Zu den Verpflichtungen eines Fußballprofis gehört es nicht nur, den Ball möglichst zielgerichtet über den Rasen zu passen; er sollte auch in der Lage sein, seine Pässe später möglichst zielgerichtet zu erklären. In der Beliebtheitsskala rangiert diese Aufgabe ziemlich weit hinten, doch als Frenkie de Jong, der holländische Nationalspieler, am Montagabend vor der Fernsehkamera stand, bekam er das Lächeln gar nicht mehr aus dem Gesicht. Es war, als wäre ein Topf voll Glück über ihn und het Nederlands Elftal ausgeschüttet worden.

Anfang des Jahres stand die holländische Mannschaft noch schlechter da als aktuell die deutsche: Zum zweiten Mal hintereinander hatte sie sich nicht für ein großes Turnier qualifizieren können, dazu war sie in der Nations League dank Deutschland und Frankreich als Gruppengegner so gut wie sicher dem Abstieg geweiht. Elf Monate später ist alles anders. Holland hat wieder ein Team mit Perspektive und wird im Juni um den Titel der Nations League spielen. „So verrückt kann Fußball sein“, sagte Bondscoach Ronald Koeman.

Wobei sich seine Aussage nicht auf das große Ganze bezog, sondern auf den Ausgang des Spiels in Gelsenkirchen. Fünf Minuten vor Schluss führten die Deutschen 2:0, und das vollkommen zurecht. Doch Quincy Promes und Kapitän Virgil van Dijk bescherten den Gästen mit ihren späten Toren ein 2:2 und damit die Qualifikation für die Endrunde der Nations League. Es war viel Glück dabei, wie auch van Dijk zugab, „aber das macht es nicht weniger schön“.

"Die Mannschaft hat Charakter gezeigt"

Ganz am Beginn von Joachim Löws Zeit bei der Nationalmannschaft, noch als Assistent von Jürgen Klinsmann, hat es einmal ein identisches Duell gegeben, nur mit umgekehrten Ausgang. 2005 in Rotterdam führten die deutlich überlegenen Holländer (unter anderem mit dem jungen Arjen Robben) ebenfalls schon 2:0. Am Ende hieß es nicht nur 2:2, am Ende hatten die Deutschen auch wieder ihren Ruf bestätigt, dass sie erst besiegt sind, wenn sie frisch geduscht im Bus sitzen. Dieser Pragmatismus ist den Holländern immer ein bisschen unheimlich gewesen, am Montag aber erwiesen sie sich als die besseren Deutschen.

„Wie oft haben die Deutschen in letzter Sekunde das Tor gemacht?“, fragte Bondscoach Koeman. Schon in der Pause hatte er seiner Mannschaft prophezeit, wenn ihr der Anschluss gelinge, „machen wir auch das 2:2“. Genau so kam es – weil Koeman Innenverteidiger van Dijk per schriftlicher Anweisung als zusätzlichen Stoßstürmer nach vorne beorderte. „Die Mannschaft hat Charakter gezeigt“, sagte ihr Trainer. Auch das eigentlich eine deutsche Spezialität.

Nach dem spielerisch überzeugenden Sieg gegen Weltmeister Frankreich drei Tage zuvor war der Auftritt in Gelsenkirchen ein weiterer Beleg für den Reifeprozess des Teams. Zu wenig Energie und mangelnden Behauptungswillen in der Offensive beklagte Koeman, trotzdem ergaben sich seine Spieler nach dem 0:2 nicht willenlos in ihr Schicksal. „Diese Mannschaft ist gewachsen“, sagte der 55-Jährige. „In ihr steckt viel Zukunft.“ So viel, dass Kapitän van Dijk schon mit der Frage konfrontiert wurde, ob Holland bei der Endrunde der Nations League nun nicht Favorit sei.

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