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Sport: Die Entlastung

Das Comeback von Stefan Beinlich verleiht Hertha BSC mehr Variabilität

Berlin. Wenn ein Fußballspiel gespielt ist, gibt es neuerdings das Spiel noch einmal auf Papier. Darauf sind die wesentlichen statistischen Werte verewigt. Etwa wer die Tore schoss, wer eingewechselt wurde, wer die meisten Torschüsse abgegeben hat oder welche Mannschaft mehr Flanken schlug. Nach dem Spiel vom Sonnabend zwischen Hertha BSC und Bayer Leverkusen (1:1) steht in zwei Rubriken der Name Stefan Beinlich ganz oben. Der Berliner gab die meisten Torschussvorlagen (3), und hatte die meisten Ballkontakte (82). Das alles wird ihn aber herzlich wenig, vielleicht gar nicht interessiert haben. Was für ihn zählte, war, dass er überhaupt mitspielen konnte. Es war das erste Mal seit Anfang September, und es war das erste Mal in dieser Bundesligasaison, dass er 90 Minuten durchgespielt hatte. „Mal sehen, wie ich mich fühle, wenn ich morgen aufwache“, sagte Stefan Beinlich nach dem Spiel. Eine rhetorische Frage.

Der 30-Jährige ist zu lange im Geschäft, als dass er sich anderntags von einem bösen Erwachen überraschen ließe. Stefan Beinlich kennt seinen Körper. Der Muskelfaserriss ist verheilt. Diese 90 Minuten waren für Stefan Beinlich ein kleiner persönlicher Sieg, für Hertha aber waren sie ein großer Gewinn.

Bei seinem Comeback überzeugte der Berliner mit Routine und Geschick als Ballverteiler. Dank seiner gestalterischen Fähigkeiten ist er so eine ideale Ergänzung zum offensiv ausgerichteten Marcelinho. Im Spiel gegen Leverkusen war dem Brasilianer anzumerken, wie groß die Belastung zuletzt für ihn war, allein fürs Gestalterische verantwortlich gewesen zu sein. Bei all seiner Präsenz fiel Marcelinhos schöpferische Pause diesmal kaum ins Gewicht. Beinlich war da.

Der Dirigent aus der Defensive

Dem Spiel von Hertha könnte das Mitwirken Stefan Beinlichs noch mehr zugute kommen. Das Spiel wird mit ihm variabler, Hertha schwerer ausrechenbar. Früher spielte Beinlich die Rolle Marcelinhos. Jetzt ist er nach hinten gerutscht in der taktischen Ausrichtung der Elf von Trainer Huub Stevens. Der Niederländer lässt vorzugsweise mit einer aus vier Spielern bestehenden Kette verteidigen. Vor dieser Kette sind zwei defensive Mittelfeldspieler postiert. Vor wenigen Jahren noch wurden diese Rollen von Spielern besetzt, die sich im Wesentlichen darauf verstanden, das Spiel des Gegners zu zerstören. Das moderne Spiel verlangt von diesen Spielern noch andere Qualitäten. Der Platz auf dem Feld ist enger geworden, die Reaktionszeit kürzer. Wer in Stresssituationen nicht über entsprechende technische Fähigkeiten verfügt, wird den Ball, den er gerade gewonnen hat, gleich wieder verlieren.

Heute wird die Position mit Spielern besetzt, die den gegnerischen Angriff stoppen, aber postwendend einen Gegenangriff kreieren können. Beinlich, dessen Spielmacherqualitäten mal in der Nationalmannschaft gefragt waren, kann so etwas. Er hat das Auge und den Fuß dafür. „Diese Position liegt mir, sie macht mir Spaß“, sagt Beinlich. Er habe das Spiel vor sich und komme so zwangsläufig zu mehr Ballkontakten. Auf dieser zentralen Position vor der eigenen Abwehr muss er viel kommunizieren, antizipieren, ständig seine Mitspieler beobachten und sie dirigieren. Hier beginnt die Spieleröffnung.

Gegen Leverkusen klappte das schon ganz gut. Und hätte Bart Goor zu Beginn der zweiten Halbzeit den von Beinlich gezirkelten Freistoß verwandelt, wäre das Spiel wohl entschieden gewesen. „Leider haben wir es versäumt, das 2:0 zu machen und so Ruhe in unser Spiel zu bringen“, sagte Dieter Hoeneß. „Aber wir sind endlich wieder in der Lage, schöne Torszenen herauszuspielen. Und hinten stehen wir nach wie vor ganz gut.“ Er hätte einfach auch sagen können: Gut, dass Stefan Beinlich wieder da ist. Und das, ohne auf die Statistik geguckt zu haben.

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