zum Hauptinhalt

Sport: Die Erben

In 18 Tagen durch die Liga (7) – die Serie zum Saisonbeginn im Fußball / Heute: Borussia Mönchengladbach

Die neue Saison der Fußball-Bundesliga beginnt am 9. August. Anhand von zehn Fragen stellen wir bis dahin alle 18 Vereine vor.

Wer hat das Sagen? Im Prinzip Hans Meyer, der Trainer. Die Zeiten sind vorbei, da profilneurotische und selbstdarstellende Präsidenten ihre Stellung ausnutzen konnten, um sogar bei sportlichen Entscheidungen ein gewichtiges Wort mitzureden. Seitdem die sportliche Leitung allein in den Händen der Sportlichen Leitung (Meyer und Sportdirektor Christian Hochstätter) liegt, geht es mit dem Verein wieder aufwärts. Das lässt hoffen, dass sich an der Machtverteilung auch in Zukunft nichts ändern wird. De facto hat in Mönchengladbach ohnehin der Sparzwang das Sagen: Die Spieler, die Meyer gerne hätte, kann Borussia nicht bezahlen.

Was ist das Besondere? Die Vergangenheit. Wer Borussenfan ist, hofft nicht einfach, dass seine Mannschaft erfolgreich spielt; er hofft, dass es wieder so wird wie früher – was im Endeffekt auf das Gleiche hinausläuft. Erste Anzeichen gibt es bereits: Die Borussen sind schon in der vergangenen Saison für ihren teilweise schönen (und mitunter trotzdem nicht erfolgreichen) Fußball gelobt worden, und Hans Meyer gilt manchem inzwischen als legitimer Erbe des großen Hennes Weisweiler, der den Verein 1965 erstmals in die Bundesliga führte und ihn in den folgenden zehn Jahren zu einem der besten Klubs Europas formte.

Was hat sich verbessert? Nichts. Der Klub hat weniger Dauerkarten verkauft als in der Aufstiegssaison, die Fernsehgelder sind gesunken, der Lieblingsgegner mit der Sechs-Punkte-Garantie, der 1. FC Köln, spielt in der Zweiten Liga, das Auftaktprogramm (gegen Bayern, in Wolfsburg, gegen Kaiserslautern, bei Hertha) ist genauso unangenehm wie im vergangenen Jahr, als die Borussen gegen Bayern, in Kaiserslautern, gegen Schalke und in Köln spielen mussten, und das zweite Jahr ist für einen Aufsteiger sowieso schwerer als das erste.

Wie sicher ist der Trainer? Hans Meyer hat gute Chancen, der erste Trainer seit Jupp Heynckes (1979 bis 1987) zu werden, der bei Borussia Mönchengladbach das Ende seiner Vertragslaufzeit (2004) im Amt erlebt. Eine ernst gemeinte Kampagne der „Bild“-Zeitung gegen seine Person hat er schon zu Zweitligazeiten erfolgreich ausgesessen. Was also soll den fast 60-Jährigen jetzt noch umwerfen? Wenn Meyer keine Lust mehr hat, hört er einfach auf. Eine entsprechende Klausel hat er in seinem Vertrag stehen. Genauso aber kann das Präsidium den Trainer entlassen, ohne ihm die branchenübliche Abfindung zahlen zu müssen. Aber dazu wird es nicht kommen.

Wie passen die Neuen? Bis zum Ende der vergangenen Woche gab es eigentlich nur einen echten Neuen: den Luxemburger Jeff Strasser, der ablösefrei vom 1. FC Kaiserslautern zum Bökelberg gewechselt ist. Hinzugekommen ist jetzt noch der Belgier Joris van Hout, der sich lange nicht so recht für Mönchengladbach entscheiden konnte. Strasser soll die Mängel der Borussen im Kopfballspiel beheben. Weil die beiden Innenverteidiger Pletsch und Asanin zu Saisonbeginn noch verletzt fehlen, hat er einen Platz in der Startelf so gut wie sicher. Die dritte Neuverpflichtung ist ein alter Bekannter: Marcel Ketelaer kehrt nach zwei enttäuschenden Jahren beim Hamburger SV reu- und demütig zur Borussia zurück, für die er schon in der E-Jugend gespielt hat. Im Norden hat Ketelaer seine Unbeschwertheit verloren, die ihn früher so stark gemacht hat. Vermutlich wird er erst einmal auf der Bank sitzen.

Welche Taktik ist zu erwarten? Die Erfolgstaktik der vergangenen zweieinhalb Jahre: vier Abwehrspieler, drei Leute im Mittelfeld und ein Drei-Mann-Angriff mit zwei klassischen Außenstürmern. „Wir können nicht anders spielen“, sagt Trainer Hans Meyer. In der Zweiten Liga hat er es nach dem Weggang von Linksaußen Marcel Ketelaer mal mit vier Mittelfeldspielern und nur zwei Stürmern versucht, doch dieses Experiment ist gescheitert.

Wer sind die Stars? Der Star ist der Trainer, auch wenn Hans Meyer das gar nicht gerne hört. Vielleicht ist das aber auch nur Koketterie. Lieblinge des Publikums sind der Urborusse Ketelaer, der eingebürgerte Holländer Arie van Lent und vor allem der Schweizer Torhüter Jörg Stiel. Wenn Gladbach verloren hat, sagt Stiel in jedem Fernsehinterview mindestens einmal „Scheiße“ – also genau das, was auch der gemeine Fan denkt.

Wie wird der Mangel verwaltet? Mit Erfindungsreichtum. Bei der Suche nach Neuverpflichtungen haben sich die Gladbacher auf Kandidaten konzentriert, die von sich sagen können: „Ich bin zwei Spieler.“ So wie Joris van Hout. Der Belgier war in Mechelen noch als erfolgreicher Stürmer aufgefallen und ist dann beim RSC Anderlecht zum soliden Abwehrspieler umgeschult worden. Derzeit versucht Hans Meyer, die wundersame Spielervermehrung auch mit dem vorhandenen Material aus dem eigenen Kader zu praktizieren. Außenstürmer Bernd Korzynietz soll wegen zu großer Konkurrenz in seiner Abteilung zum rechten Außenverteidiger weitergebildet werden.

Was gibt das Stadion her? Nach Ansicht aller Vereinspräsidenten seit Zeiten der Beatles viel zu geringe Einnahmen. Der Bökelberg wurde schon 1920 eingeweiht, und böse Menschen behaupten, er sei seitdem im Urzustand belassen worden. Drei Viertel der Ränge haben kein Dach, und obwohl echte Fans für ihren Verein auch im schlimmsten Regen ausharren, werden die Dauerpläne für ein neues Stadion nun endlich Wirklichkeit. Zwei Jahre noch spielt der Klub im besten Mönchengladbacher Wohngebiet, dann zieht die Borussia an den Stadtrand in ein Stadion, dessen meistbietend an einen Sponsor verkauft werden soll. Dabei war es für die Borussenfans eigentlich längst klar, dass die neue Arena „Hennes-Weisweiler-Stadion“ heißen sollte. Aber die modernen Zeiten kennen nun mal keine Nostalgie.

Wie sind die Fans? Besonders beliebt bei den Schatzmeistern aller anderen Bundesligaklubs. Obwohl die großen Erfolge der Borussia schon länger zurückliegen als die Wahl Helmut Kohls zum Bundeskanzler, hat der Verein immer noch eine riesige Anhängerschaft in der gesamten Republik. Und die füllt den Wolfsburgern, Hamburgern und Stuttgartern regelmäßig ihre Stadien. Der Gladbacher an sich war seinem Klub gegenüber lange eher reserviert, doch das hat sich in den vergangenen Jahren etwas gebessert. Ab dieser Saison allerdings werden die Zuschauer auf dem Bökelberg auf einen besonderen Fan verzichten müssen: Manolo, der Trommler aus der Nordkurve, ist so schwer erkrankt, dass er nicht mehr für die Borussen trommeln kann. Stefan Hermanns

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false