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Sport: „Die Fans sind keine Knalltüten mit drei Promille“

Die Designer Klaus Hesse und Fons Hickmann über das WM-Logo 2006, deutschen Humor und kreative Leidenschaft

Das offizielle Logo für die FußballWM 2006 ist nicht nur von Fachleuten kritisiert worden. Aus verschiedenen Umfragen geht hervor, dass viele Fans das Logo albern finden oder es nicht verstehen. Die Designprofessoren Fons Hickmann und Klaus Hesse haben deshalb die Initiative „Elf Designer für Deutschland“ ins Leben gerufen. Unter dem Motto „Noch ist nichts verloren“ werden die Entwürfe am 15. März in Berlin vorgestellt.

Herr Hesse, Herr Hickmann, die meisten Menschen freuen sich auf die Fußball-WM 2006 in Deutschland. Und Sie spielen die Spielverderber. Muss das sein?

Hickmann: Genau aus dem Grund haben wir diese Aktion ins Leben gerufen. Weil wir Spaß an dieser WM haben wollen, weil sie eine runde Sache werden soll. Aber mit diesem Logo fehlt ein wichtiger Bestandteil.

Ist es falsch, wenn man sagt, Sie sind nur beleidigt, weil die tollen deutschen Designer nicht gefragt worden sind bei der Entwicklung des Logos?

Hesse: Das ist wirklich Unsinn. Dann müssten wir ja jeden zweiten Tag beleidigt sein, denn es gibt ja noch andere, durchaus größere Aufgaben für dieses Land als eine Fußball-WM. Wir sind Designer aus Leidenschaft, und wir sind Fußballer aus Leidenschaft. Und wir haben ein WM-Logo, das jedes erträgliche Niveau weit unterschreitet. Das alles ist zusammengekommen. Deshalb haben wir diese Aktion ins Leben gerufen.

Vielleicht finden ja die Menschen ohne Designerausbildung, die Fans im Stadion, das Logo ganz gut.

Hickmann: Es gibt ja genügend Umfragen dazu. Die allermeisten belegen, dass ein Großteil der Fans entweder sagt, dieses Logo sei albern oder es sei nicht zu begreifen. Die wenigsten sind davon begeistert.

Hesse: Natürlich denkt das allgemeine Publikum nicht angestrengt über so ein Logo nach. Gerade deshalb sollte ein Logo die Menschen ja berühren, sie begeistern, sie mitnehmen. Dieses Logo ist nur albern.

Wie geht das in der Praxis, wie kann ein Logo berühren?

Hickmann: Indem es überrascht und gleichzeitig intelligent ist. Das heißt, es muss auf den ersten Blick ansprechen, und auf den zweiten Blick müssen Informationen enthalten sein. Man muss es verstehen können, damit es einprägsam ist. Leute, die nichts mit dem Sport anfangen können, sollen trotzdem sagen: Ja, hier geht’s um Fußball.

Und das jetzige WM-Logo erfüllt keine einzige dieser Anforderungen?

Hesse: Mir fällt keine ein.

Hickmann: Mir auch nicht.

Sie teilen also die Ansicht des englischen Star-Designers Neville Brody, der sagt: Das Logo ist schrecklich, kindisch, nicht authentisch, völlig irrelevant.

Hickmann: Ja.

Was stört Sie so?

Hickmann: Das Logo ist ohne Wert, es müsste aber bestimmte Dinge leisten: Es muss eine Eindeutigkeit haben und eine Aussage. In diesem Fall müsste es konkret etwas mit dieser WM verbinden. Aber das sehe ich nicht.

Was sehen Sie denn?

Hickmann: Ich sehe Kreise mit Gesichtern, die Kreise sollen wohl Nullen sein, die eine Null ist allerdings eine sechs. Wenn es die Jahreszahl 2006 symbolisieren soll, hätten wir eine Null zu viel und die 2 würde fehlen.

Hesse: Ich sehe auch Menschen, die da dargestellt werden sollen, also die Fans. Die Fans werden als Nullen dargestellt. So verstehe ich das. Und ich frage, wieso ist das so? Mich stört dieser Opportunismus, dass man sich bei den Fans einschmeicheln will, indem man sie abbildet. Und wie bildet man sie ab? Als Knalltüten, die mit drei Promille rumlaufen. Damit mache ich die Leute lächerlich.

Vielleicht wollten das die Auftraggeber von DFB und Fifa so.

Hickmann: Das ist eben der entscheidende Punkt, die Frage, wer kann das Endprodukt beurteilen. Ein bisschen Fachverstand braucht man schon dazu. Hier ist die Frage, hat der Auftraggeber auch die Designkompetenz zu entscheiden, was gut und was schlecht ist? Und wenn der Auftraggeber das nicht kann, muss er dann nicht eben Fachleute fragen, die ihm dabei helfen. Das ist anscheinend nicht geschehen.

Deshalb kommen jetzt Sie und machen eigene Logos. Haben Sie wirklich die Hoffnung, der DFB kommt und sagt: Hey, super, nehmen wir doch eines davon?

Hickmann: Wir sind keine Träumer. Aber warum nicht, warum nicht einen neuen Start wagen? Außerdem ist das nicht das alleinige Ziel dieser Aktion. Wir wollen den Leuten zeigen, was gutes Design sein kann. Wir wollen auch zeigen, dass Design zu unserem Alltag gehört, an jeder Ecke, in jeder Wohnung. Deutsches Design genießt schließlich international eine hohe Anerkennung.

Hesse: Wir wollen auch etwas gegen diese Gedankenlosigkeit tun. Wir finden, dass solche Dinge auch in Zeiten der Krise einen Stellenwert besitzen sollten, denn auch so ein Logo kann Identität stiften, kann Zusammengehörigkeitsgefühl wecken, kann Spaß machen. Wir stellen uns der Öffentlichkeit und damit auch einer breiten Diskussion. Zudem: Warum sollten diese großen Leute, wie Beckenbauer, nicht auch Größe zeigen und dieses einmalige Angebot annehmen.

Geht es also doch nur darum zu zeigen, wie Sie, Herr Hesse, es einmal ausgedrückt haben, wo das deutsche Design steht? Und ist eben nicht gerade diese Frage für den Fußball-Fan ziemlich unerheblich?

Hesse: Das ist sie nicht. Schließlich geht es ja auch um die Marke Deutschland. Und Deutschland präsentiert sich mit dieser WM international. Das hat großen Einfluss, nicht nur darauf, wo das deutsche Design steht, sondern darauf, wo Deutschland kulturell steht.

Das Logo beleidigt Ihren Kunstgeschmack?

Hesse: Ja, so kann man das auch ausdrücken. Mit diesem Logo ist nicht etwas Neues geschaffen worden, auch nicht etwas Harmloses, sondern etwas ganz Furchtbares. Und wir nehmen das ernst, so ernst, wie der Fußball-Fan jedes einzelne Spiel seines Teams.

Wer spielt denn nun in Ihrem Team mit?

Hesse: Die besten Designer Deutschlands. Es machen die Etablierten und die Talentierten mit. Viele von denen haben schon Preise gewonnen. Wir haben also von Oliver Kahn bis Paul Freier alles dabei.

Für wen spielen Sie?

Hickmann: Für das deutsche Design.

Und gegen wen spielen Sie?

Hickmann: Der Gegner ist schon auf dem Platz, das Logo liegt ja vor. Aus unserer Sicht ist das kein Torerfolg. Wir werden mindestens 11 Tore schießen, denn so viele Designer spielen mit.

Aber Sie können das Spiel doch gar nicht mehr gewinnen?

Hesse: Abwarten. Der DFB hat abgepfiffen, aber vielleicht ist ja ein Rückspiel drin. Wir sind bereit.

Haben Sie denn mit dem Gegner mal Kontakt gehabt?

Hesse: Wir haben mal vorgefühlt, aber der DFB wird allgemein als große Macht empfunden. Man kommt da nicht weit. Die Wenigsten wollen sich mit dieser Macht anlegen.

Das Interview führten Ursula Dahmen

und Armin Lehmann.

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