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Sport: „Die Fifa hat es übertrieben“

Deutschlands Sportchef Bach über das WM-Geschäft und Olympia in Berlin

Herr Bach, die Fußball-WM geht zu Ende. Wie sieht die Bilanz des Sports aus?

Die Organisation war brillant. Zuletzt wurde gesagt, dies sei die beste Weltmeisterschaft aller Zeiten gewesen. Ich kann das nur unterstützen. Die Stimmung war einzigartig – mit Momenten, die haften bleiben. Ich erinnere mich mit Gänsehaut daran, wie nach der Niederlage im Halbfinale noch eine Viertelstunde nach dem Abpfiff die deutsche Mannschaft gefeiert wurde. Auf der anderen Seite hat das spielerische Niveau nicht dem organisatorischen entsprochen.

Was kann der organisierte Sport von Bundestrainer Jürgen Klinsmann lernen?

Jürgen Klinsmann hat den DFB nicht auseinander genommen. Er hat sportlich einiges auf neue Füße gestellt. Das hat sicherlich zur Begeisterung beigetragen.

Er wollte Strukturen verändern.

Ja, im Sportbereich. Auch ich war anfangs skeptisch – als ich sah, wie unsere Innenverteidigung im Eröffnungsspiel schwamm. Aber das Schöne am Sport ist: Durch Erfolg kann man alle widerlegen.

Hinter der Begeisterung ist das Geschäft mit dem Fußball sichtbar geworden. Ist das bei dieser WM übertrieben worden?

Ephraim Kishon hat gesagt: Im Fußball geht es nicht nur um Geld – und darum, dass es keiner merkt. Eine Veranstaltung dieser Größe kann man nicht ohne private Finanzquellen organisieren. Dafür muss man den Förderern gewisse Rechte geben. Das wurde aber übertrieben.

Selbst WM-Chef Franz Beckenbauer sieht die Grenze des Geldverdienens erreicht. Macht Sie das nachdenklich?

Exklusive Rechte dürfen nicht in vorauseilendem Gehorsam so eng interpretiert werden, dass sie zur Last werden. Generell wäre die Fifa gut beraten, wenn sie mehr Rechte dem jeweiligen lokalen Organisationskomitee überließe, um damit nationale Kultur und Wirtschaft einzubeziehen. Hier wäre eine Akzentverschiebung hilfreich. Bei dieser WM wollte die Fifa jedes kleinste Detail regeln.

Nennen Sie ein Beispiel.

Die Fifa hat versucht, das Ticketprogramm in eigener Hand zu behalten. Außerdem wusste das lokale Organisationskomitee zum Zeitpunkt des Zuschlags nicht, was es finanziell zu leisten hat. Das haben wir erst hinterher erfahren. Das war ein ziemliches Vabanquespiel.

Klingt da auch Selbstkritik am Internationalen Olympischen Komitee durch?

Es gibt erhebliche Unterschiede zwischen IOC und Fifa. Unser Zuschuss an die lokalen Organisatoren ist viel höher, mehr als eine Milliarde Euro. Außerdem sind die Stadien werbefrei. Und olympische Organisationskomitees sind freier im Abschluss ihrer Marketingverträge.

Der Erfolg der WM hat Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit veranlasst, Olympia 2020 in Berlin anzuregen.

Uns freut das. Das Interesse in Berlin an Olympia war nicht immer so positiv. Der Regierende Bürgermeister spricht von den Spielen 2020; also einer Bewerbung, die 2013 präsentiert wird. Das müssen wir nicht im Juli 2006 entscheiden.

Was hätten Sie lieber: Sommer- oder Winterspiele in Deutschland?

Wenn Salzburg die Winterspiele 2014 bekommt, wäre Deutschland mit der Bob- und Rodelbahn Berchtesgaden beteiligt. Dann wären deutsche Winterspiele erst mal unwahrscheinlich. Das sollten wir abwarten. Ich werde in den kommenden Monaten mit Herrn Wowereit reden – aber auch mit anderen Interessenten wie Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust.

Das Gespräch führten Ingo Kahle (Inforadio) und Robert Ide.

Thomas Bach, 52, ist Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes, Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees und Aufsichtsrat im Organisationskomitee der WM 2006.

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