zum Hauptinhalt
Ganz schön haarig.

© AFP

Sport: Die Furie bleibt cool

Serena Williams behält im Finale der US Open die Nerven und gewinnt ihren vierten Titel in New York.

New York - Für einen Moment stockte den Zuschauern im vollgepackten Arthur-Ashe-Stadium der Atem. „Fußfehler!", hatte ein Linienrichter urplötzlich gebrüllt, und auf den Rängen befürchteten sie nun das Schlimmste. Würde Serena Williams wieder zur Furie werden? Vor drei Jahren hatte sie im Halbfinale der US Open eine Linienrichterin mit einer beispiellosen Schimpftirade bedacht, es war einer der unrühmlichsten Auftritte der Tennisgeschichte. Aber auch typisch für die exzentrische Amerikanerin. Dieses Mal jedoch, da starrte Serena Williams den Mann an der Linie nur an. Obwohl in ihrem finsterem Blick eine Androhung körperlicher Gewalt mitschwang, sagte sie nichts. Dabei wäre ein Ausraster nicht einmal unerwartet gekommen, Williams lag im zweiten Satz des Endspiels von Flushing Meadows mit 0:2 gegen die Weltranglistenerste Viktoria Asarenka zurück. Das Match schien ihr zu entgleiten. Doch es sollte ihr noch gelingen, diese wechselhafte Partie im letzten Moment zu drehen. Mit 6:2, 2:6 und 7:5 gewann Williams ihren vierten US-Open-Titel und ihre insgesamt 15. Grand-Slam-Trophäe.

„Alle dachten, ich würde wieder ausflippen – aber das bin ich doch schon lange nicht mehr“, scherzte Williams später. Dabei war es erst ein Jahr her, als sie im New Yorker Finale nach einer strittigen Entscheidung völlig ausrastete und den Titel so an Samantha Stosur verloren hatte. Bei Serena Williams muss man stets mit allem rechnen, im Guten wie im Bösen. Doch seit die 30-Jährige bei den French Open in Paris sensationell in der ersten Runde gescheitert war, demonstrierte sie den Sommer über ihre phänomenale Ausnahmestellung unter den Tennisspielerinnen: Erst gewann sie in Wimbledon, im Einzel und Doppel. Dann holte sie bei den Olympischen Spielen in London Gold, wieder im Einzel und Doppel. Nun triumphierte sie auch noch bei den US Open. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich gewonnen habe“, sprudelte es aus ihr bei der Siegerehrung heraus, „ich hatte schon über meine Verlierer-Ansprache nachgedacht.“

Nach dem ersten Satz, den Williams routiniert gegen eine nervöse Asarenka gewann, schien ihr die silberne Trophäe schon sicher. Wie so oft in den letzten Jahren deutete sich wieder ein sehr einseitiges und eher mäßig unterhaltsames Frauenendspiel an – ganz so, wie es im Vorfeld befürchtet worden war. Williams hatte bis zum Finale nur 19 Spiele abgegeben und gegen Asarenka in ihren bisher zehn Duellen nur einmal verloren. Doch die Weißrussin ist seit ihrem Sieg bei den Australian Open zu einer konstant gefährlichen Spielerin gereift, die keine Angst vor großen Namen kennt. So ging Asarenka im zweiten Durchgang das knallharte Grundlinienspiel nun mutig mit und parierte die gewaltigen Aufschläge, die wohl die besten sind, die es im Frauentennis je gegeben hat. Sie zwang Williams mehr und mehr zu Fehlern und war beim Stand von 5:3 nur noch zwei Punkte vom Matchgewinn entfernt. „Ich dachte immer nur: nicht aufgeben, niemals aufgeben“, sagte Williams. Die Zuschauer hielt es kaum noch auf ihren Sitzen, seit 17 Jahren hatte es in Flushing Meadows kein Finale mehr über die volle Distanz gegeben und keines, das in der Schlussphase so spannend verlief.

Williams schien die Energie der Zuschauer nun förmlich aufzusaugen, sie fand ihre einschüchternde Körpersprache und ihre unbändige Willenskraft wieder – sie machte zehn der nächsten zwölf Punkte und drei Spiele in Folge zum 6:5. Dann erhöhte sie noch einmal den Druck beim Return, und Asarenka knickte ein letztes Mal beim Aufschlag ein. Williams ließ sich zu Boden fallen und blieb einen Moment ausgestreckt auf dem Rücken liegen. Sie hatte etwas Glück gehabt, das wusste sie. Doch es war nicht nur ein Sieg ihrer Stärke, sondern auch ihrer Reife gewesen. Keine Ausraster, Williams war cool geblieben. 13 Jahre nach ihrem ersten US-Open-Sieg triumphiert sie wieder, keine Spielerin sonst hat in der Open Ära während einer solch enormen Zeitspanne Grand-Slam-Titel gewonnen. „Meine Siege liegen in drei Jahrzehnten, dass ist unglaublich“, schwärmte Williams. Ihre 23 Jahre alte Gegnerin trauerte hingegen der vergebenen Chance auf den zweiten großen Titel in dieser Saison nach. „Es tut wirklich sehr weh“, sagte Asarenka, „aber ich bin trotzdem stolz auf mich. Serena ist die beste Spielerin aller Zeiten.“ Ein Trost bleibt Asarenka, sie ist weiterhin die Nummer eins der Welt. Auch wenn es da eine gibt, die jenseits von Ranglistenpunkten in einer eigenen Liga spielt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false