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Sport: Die Gastgeber sind großzügig

Auch das zweite Ausrichterland startet mit einer Niederlage: Beim 0:1 gegen Kroatien scheitert Österreich trotz großen Engagements an seiner fußballerischen Unzulänglichkeit

Die Sieger waren müde und enttäuscht. Der Torschütze Luka Modric blieb erstmal reglos auf dem Rasen liegen, seine Kollegen trotteten gesenkten Hauptes vom Platz, und als der kroatische Trainer Slaven Bilic in die Kabine kam, „habe ich gemerkt, dass die Spieler überhaupt nicht zufrieden waren“. Also schaltete Bilic den CD-Player ein und befahl: „Singt Männer, ihr habt immerhin gewonnen!“ Dieser 1:0 (0:0)-Sieg über Österreich hatte die Kroaten mehr Kraft gekostet als erwartet, aber drei Punkte sind drei Punkte, und am Ende haben sie doch gesungen, den derzeit in den Diskotheken von Split und Zagreb angesagten Gassenhauer „Lijepa Li Si“, du bist wunderbar, „Kroatien, du bist wunderbar“, fügte Bilic lachend hinzu.

Ganz so wunderbar war es nicht, was die Modric und Srna, Krajncar und Petric auf den Rasen des Wiener Ernst-Happel-Stadions zauberten, aber gegen die lange Zeit zu zaghaften Österreicher reichte es. „Wir wissen, dass wir uns im nächsten Spiel gegen Deutschland steigern müssen“, sagte Bilic. „Und wir sind bereit für dieses Spiel.“ Ausgerechnet der Jüngste schoss das Tor des Tages. Luka Modric, gerade für 25 Millionen Euro von Dinamo Zagreb zu Tottenham Hotspur transferiert, verwandelte schon in der vierten Minute einen Elfmeter.

Es war dies ein aus österreichischer Sicht genauso unglücklicher wie überflüssiger Fehlstart. Der kleine Modric hatte auf der linken Seite Verteidiger Joachim Standfest gleich zweimal ausgetrickst und auf Ivica Olic gepasst. Der Stürmer vom Hamburger SV lief mit dem Ball Richtung Grundlinie, aber so weit kam er nicht, weil aus der Mitte René Aufhauser heranstürmte und Olic über seinen Oberschenkel springen ließ. Modric wartete beim Elfmeter so lange, bis Torhüter Jürgen Macho in die linke Ecke geflogen war, dann schob er den Ball in aller Seelenruhe in die Mitte des Tores. Ein psychologisches Meisterstück des 22-Jährigen, der von seinen Kollegen wie selbstverständlich als Chef akzeptiert wird. Slaven Bilic warf eine Kusshand über den Rasen in Richtung Modric.

„Schlechter kannst du in so ein Turnier gar nicht starten“, schimpfte Österreichs Trainer Josef Hickersberger. Keine Mannschaft läuft gern einem frühen Rückstand hinterher, aber wenige bei dieser EM dürften sich damit so schwer tun wie die Österreicher. Die Gestaltung des Spiels ist ihre Sache nicht, dafür fehlt es ihnen an gestaltenden Persönlichkeiten. Olic hatte das zweite Tor zweimal auf dem Kopf, Mladen Petric einmal auf dem Fuß. Österreich verharrte in der selbst gewählten Defensive, unfähig, vom einmal eingeschlagenen Weg abzuweichen. Von Kapitän Andreas Ivanschitz war wenig zu sehen, und ihren England-Profi Pogatetz hätten die Österreicher beinahe durch einen Platzverweis verloren. Der Verteidiger ließ sich von Olic an der Eckfahne den Ball durch die Beine spielen, setzte unbeholfen nach, mit beiden Armen griff er nach dem Kroaten und schlug ihm mit der flachen Hand auf den Kopf. Der holländische Schiedsrichter Vink sah gnädig ab von einer zweiten Verwarnung, die den Ausschluss bedeutet hätte. „Pogatetz hat großartig gespielt“, sagte Slaven Bilic später, und es blieb offen, ob er das nun ironisch gemeint hatte oder nicht.

Es war ein gebürtiger Kroate, der die Österreicher nach der ersten, enttäuschenden Stunde noch einmal ins Spiel brachte. Als sich das Scheitern trotz zunehmender Feldüberlegenheit immer deutlicher abzeichnete, wagte Josef Hickersberger einen letzten Trick. Er brachte Ivica Vastic, den vor bald 39 Jahren in Split geborenen Stürmer. „Jetzt geht’s los“, riefen die Zuschauer, und die Österreicher erhöhten noch einmal das Tempo. Vastic hätte beinahe das Ausgleichstor erzielt, doch sein Kopfball flog halbhoch und nicht scharf genug gegen die Fäuste von Stipe Pletikosa. Einen Schuss des ebenfalls eingewechselten Ümit Korkmaz parierte der kroatische Torhüter genauso. Und dann war da noch ein dritter Einwechselspieler, Roman Kienast, sein Kopfball pfiff in der Nachspielzeit nur ganz knapp am rechten Pfosten vorbei. Dann war Schluss – Österreich hatte alles gegeben und wurde mit stehenden Ovationen verabschiedet. Josef Hickersberger blieb die Erkenntnis, „dass der österreichische Fußball auf dem Weg der Besserung ist“. Im Augenblick aber spricht einiges dafür, als sollten sich Österreich und die Schweiz von der kommenden Woche auf ihre Verpflichtungen als Ausrichter der Europameisterschaft konzentrieren.

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