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Sport: Die Geduld der Millionäre

Als einer ihrer Chefs zur Feierstunde ausnahmsweise mal die Kabine betrat, staunten die Spieler der Los Angeles Lakers. Das Team aus der National Basketball Association (NBA) war im Sommer auf dem Weg zum nordamerikanischen Meistertitel.

Als einer ihrer Chefs zur Feierstunde ausnahmsweise mal die Kabine betrat, staunten die Spieler der Los Angeles Lakers. Das Team aus der National Basketball Association (NBA) war im Sommer auf dem Weg zum nordamerikanischen Meistertitel. Nach einem Sieg während der Finalserie feierten rund 20 000 Fans im Staples Center, der komfortablen Arena der Lakers. Philip Anschutz, Teilhaber bei des Klubs, gratulierte seiner Mannschaft, machte dann aber eine Aussage, welche die hochdotierten Stars irritierte. "Die Stimmung hier in der Halle ist gut", sagte Anschutz, "aber noch kein Vergleich zu den Berliner Eisbären in Deutschland. Da machen 5000 Zuschauer viel mehr Krach als hier 20 000."

Berlin, Germany? Eine Eishockey-Mannschaft? Die Profis der Lakers werden jene Episode als eine lustige Verrücktheit ihres Chefs abgetan haben und lagen damit wohl falsch. Unwichtig ist dem Milliardär aus Denver sein Klub aus dem Osten Berlins nicht. Bei keiner seiner europäischen Filialen hat Anschutz häufiger vorbeigeschaut als beim EHC Eisbären, der seit zwei Jahren zu seinem Imperium gehört. Auch wenn der Unternehmer "nur aus Spaß, zum Kartoffelchips essen und quatschen" im Sportforum Hohenschönhausen war, wie der ehemalige Generalbevollmächtigte der Eisbären, Martin Müller, einmal berichtete. Die Anschutz Entertainment Group hat große Pläne in Berlin und bereits ein Areal am Ostbahnhof erworben. Dort soll im Jahre 2004 eine 16 500 Zuschauer fassende Mehrzweckhalle stehen, sowie Hotels und Geschäfte ihren Platz finden. Das Investitionsvolumen liegt bei 700 Millionen Mark.

Natürlich sind die Eisbären nur ein Mosaikstein in diesem Projekt, aber kein unwesentlicher: Schließlich soll der Klub bei seinen Spielen die neue Arena füllen. Gemessen an der Situation der Eisbären in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) fällt diese Vorstellung nicht leicht. Die jüngsten Auftritte verlangten der treuen Anhängerschaft ein Höchstmaß an Geduld ab: Aus acht Spielen haben die Eisbären nur zwei Punkte geholt, das 1:4 gegen Nürnberg am Sonntag war bereits die vierte Heimniederlage in Folge. Negativserien, die anderorts längst die Diskussion um den Trainer ausgelöst hätten. Marc Fortier sieht die Situation noch nicht derart drastisch. "Was momentan passiert", sagt der Kapitän der Eisbären, "überrascht uns alle. Aber bei Lösung der Probleme ist nicht nur der Trainer, sondern sind vor allem die Spieler in der Verantwortung."

Der Eigner der Eisbären drängelt in dieser Hinsicht nicht. Als Manager Peter John Lee vergangene Woche bei der europäischen Außenstelle der Anschutz-Gruppe in London weilte, ging es vorrangig um finanzielle Dinge. "Unsere sportliche Situation war kein Thema", berichtet Lee. In Nordamerika ist Sport eben vor allem Unterhaltung. Eine Ideologie, die mit der - an kurzfristigen Erfolgen orientierten - hiesigen Sportbranche kollidieren kann. Das ließ sich bei den Eisbären schon beobachten: Als Glen Williamson vor Jahresfrist mit einer ähnlich schlechten Bilanz wie nun sein Nachfolger Uli Egen aufwartete, herrschte bei den EHC-Fans eine sehr schlechte Stimmung. Doch erst nachdem die Berliner Verantwortlichen drängten, gab die Anschutz-Gruppe dem Wunsch nach einer Entlassung des Trainers nach.

Nun ist es so, dass sich Egen in der Krise geschickter verkauft als sein in rhetorischer Hinsicht oft überfordert wirkender Vorgänger. "Dass ich jetzt unter Druck komme", sagt Egen, "ist völlig normal. Ich kann damit umgehen." Wie lange noch? Noch fordern wenige Anhänger die Demission des wegen seines kumpelhaften Umgangs mit den Fans an sich beliebten Trainers. Sollte am Mittwoch bei den Moskitos Essen eine weitere Niederlage folgen, dürfte spätestens Freitag, beim Heimspiel gegen die Hannover Scorpions, die Geduld der Fans überstrapaziert sein. Denn nur zum Konsumieren von Kartoffelchips kommt der eingefleischte Anhänger in Hohenschönhausen nicht ins Stadion, dessen sind sich auch die Spieler der Eisbären bewusst. "Wir verstehen die Gefühle der Fans", sagt Marc Fortier, "aber die müssen auch wissen, dass wir kein Spiel mit Absicht verlieren."

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