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Sport: Die große Heiterkeit

Wie der FC Bayern die Nacht zum Tag machte und den 18. Titelgewinn gebührend feierte

München. Als die Polizisten eintrafen, war die Feiergemeinde längst außer Rand und Band. Es galt ein Versprechen einzulösen. Noch auf dem Rasen der Wolfsburger Volkswagen-Arena hatte Bayern Münchens Vorstandschef nach dem Gewinn der 18. deutschen Meisterschaft Großes angekündigt. „Es wird eine Feier, die FC-Bayern-like ist“, hatte Karl-Heinz Rummenigge gesagt. Er sollte Recht behalten.

Die erste Flasche Schampus hatten Michael Ballack & Co. vom Mannschaftsbus ins Flugzeug gerettet, doch nach einer kurzen Gesangsdarbietung von Oliver Kahn ging die Party erst diesseits der Wolken richtig los. Um kurz vor halb neun balancierte Karl- Heinz Rummenigge mit einem Weißbierglas die Gangway hinab, und mit ihm schlängelte sich der Bayern-Tross durch den Münchner Abendverkehr in Richtung Marienplatz, in dessen Nähe Sternekoch Alfons Schuhbeck seine Südtiroler Stuben dekoriert hatte. „Wir haben ihn aus der Kabine angerufen und ihm gesagt, dass er für uns freiräumen muss“, berichtete Uli Hoeneß. Schuhbeck hatte freigeräumt. 40 andere Gäste quartierte er dazu kurzerhand um. Das ist der Meisterbonus.

Als es sich die Meister-Crew dann bequem gemacht hatte auf den Polstersitzen in den fein vertäfelten Münchner-Kindl-Stuben, machten die Spieler erst mal das, wofür sie so viel gearbeitet und trainiert hatten in den letzten Monaten. Sie reckten die Meisterschale hoch. Dass es eine alte war, scherte sie nicht. Die neue gibt es erst in drei Wochen, also hatten sie sich kurzerhand eines der letzten Exemplare aus der Vitrine im Vereinsgelände besorgt. Besonders lange hielt Michael Ballack die silberne Platte hoch, in Leverkusen durfte er das ja nie, aber jetzt beim FC Bayern, da „haben wir ihn zur Meisterschaft mitgezogen“, scherzte Uli Hoeneß.

Für die Musik sorgte Alfred, der afroamerikanische Alleinunterhalter. Er war mit der Lufthansa aus Los Angeles angereist, nur „Profis“ waren engagiert, wie Ottmar Hitzfeld sagen würde. Also walzte Alfred eifrig hinter seinem Keyboard hin und her, und bald schon johlte eine Horde Spieler altbekannte Lieder, am inbrünstigsten taten sie das, als der musikalische Nachlass von Wolfgang Petry und Frank Sinatra durch die Boxen brummte.

Zwischendurch aßen sie vom FC-Bayern-Salat, den Alfons Schuhbeck bei angemessenen Anlässen seit Jahren kreiert, verzehrten wacker das Beerlauchpüree, und wer noch konnte, verleibte sich anschließend einen ziemlich aufwendig verzierten Kaiserschmarrn mit Rhabarber und Erdbeeren ein.

Kaiserschmarrn, das Stichwort. Franz Beckenbauer blieb der Feier fern, er war anderweitig eingeladen, ein Golffreund feierte seinen Sechzigtsen. „Ich habe mit Franz telefoniert“, entschuldigte ihn Uli Hoeneß, doch die Abwesenheit des Aufsichtsrats-Vorsitzenden passt ins Bild der letzten Wochen, da die Münchner Handlungsbevollmächtigten Rummenigge und Hoeneß des Öfteren eine ziemlich andere Meinung vertraten als ihr inzwischen weitgehend entmachteter ehemaliger Präsident (siehe Kasten links).

Dortmunds Manager am Tisch

In dieser Nacht aber konzentrierten sich die Meistermacher dann doch lieber auf das Wesentliche. Und wenn Uli Hoeneß auch eigentlich eine „etwas ruhigere Feier“ erwartet hatte, weil schließlich der Titelgewinn in der Schönheit und Unvorhersehbarkeit seiner Entstehung nicht vergleichbar mit den Saisonfinals der letzten Jahre sei, so war auch um fünf Uhr morgens noch der eine oder andere tanzend aktiv. Mit 13 Punkten Vorsprung vier Spieltage vor Saisonschluss hatten die Bayern ihren Fans diesmal Herzrhythmusstörungen erspart. Und deshalb sagte Hoeneß auch gönnerhaft, „heute können die Jungs machen, was sie wollen“. Was sie dann selbstverständlich auch taten.

Nicht im Geringsten ließen sie sich dabei von der Anwesenheit Michael Meiers stören. Der Manager von Borussia Dortmund stieß plötzlich zu der fröhlichen Feiergemeinde, er war in der Stadt, weil seine Mannschaft am Nachmittag beim TSV 1860 gespielt hatte. Also gratulierte er persönlich, die Bayerngranden boten bereitwillig einen Platz an ihrem Tisch an und plauderten mit ihm über dieses und jenes. Wer sich der zuletzt wieder regelmäßig ausgetauschten verbalen Bissigkeiten zwischen den im wirklichen Leben in stählerner Konkurrenz verbundenen Sitznachbarn erinnerte, der wunderte sich ob der großen Heiterkeit, die sich am Tisch von Hoeneß, Rummenigge und Meier entlud.

Die Spieler interessierte wenig, wer da war, eher schon: wer nicht da war. Oliver Kahn fehlte, und niemand wusste, warum. Am Tag danach folgte die Aufklärung: „Ich wusste von nichts“, sagte Kahn. Als der Treffpunkt bekannt gegeben wurde, hatte er Kopfhörer getragen und daher nichts gehört. Erst später sah Kahn einen Großteil seiner Kollegen wieder – im P1, der Diskothek, die der Nationaltorwart so lieb gewonnen hat in den letzten Monaten. Auch seine Ex-Geliebte Verena schwirrte durch den Laden, wenn auch nicht an seiner Seite. Dort nämlich stand Kahns Frau Simone. Bis der Morgen durch die Fenster des Edelschuppens blinzelte, rotierten einige Spieler auf der Tanzfläche und nuckelten an ihren Drinks. Niemand nahm ihnen ihre Ausgelassenheit übel.

Zwischenzeitlich hatte das etwas anders ausgesehen. Eine halbe Stunde nach Mitternacht waren zwei Zivilpolizisten in Schuhbecks Stuben geschritten, noch ehe sich die Party verlagert hatte. Das Gegröle sei zu laut, verfügten die Beamten und baten darum, die Fenster zur Straße zu schließen. Gleiches Recht für alle.

Daniel Pontzen

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