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Sport: Die Guten-Abend-Athleten

Deutsche Sportfunktionäre sind enttäuscht und fordern härtere Olympia-Kriterien für die Sportler

Hier, im Haus der deutschen Mannschaft in Athen, gibt Ulrich Feldhoff nur zu, dass er „ziemlich erschrocken war“, als er sich die Zahlen genauer ansah. In Wirklichkeit wird der Vizepräsident Leistungssport des Deutschen Sportbundes (DSB) wohl einem Schwächeanfall nahe gewesen sein, als er die deutsche Leistungsbilanz in Athen durcharbeitete. 157 Mal sind deutsche Athleten unter die Plätze eins bis zehn gekommen, 199 Mal aber lagen die Sportler mit dem schwarz-rot-goldenen Enblem auf dem Trikot im Bereich der völligen Bedeutungslosigkeit. Und als Feldhoff durchrechnete, wie viele Endkampf-Teilnahmen, das entscheidende Kriterium für den Olympiastart, dokumentiert sind, muss ihm endgültig schwarz vor Augen geworden sein. 55 Prozent, „das ist der gravierendste Negativwert überhaupt“, sagt Feldhoff. In Sydney vor vier Jahren, waren es noch 70 Prozent.

In der Nationenwertung kam das deutsche Team auf den sechsten Platz. Insgesamt 48 Medaillen bringt die deutsche Olympiaauswahl nach Hause, 14 Mal Gold, 16 Mal Silber, 18 Mal Bronze. In Sydney waren es noch 56 Medaillen (13/17/26). „Wir sind mit einem blauen Auge davon gekommen“, sagt Feldhoff, der vor den Spielen noch den dritten Platz in der Nationenwertung angepeilt hatte. „Aber wenn wir uns in Sportarten wie Leichtathletik mit seinen 46 Disziplinen und Ringen mit seinen 18 Disziplinen nicht erheblich verbessern, dann können wir in vier Jahren in Peking Platz fünf in der Nationenwertung vergessen.“

Die deutschen Leichtathleten steuerten kümmerliche zwei Silbermedaillen zum Medaillenspiegel bei, die Ringer scheiterten ausnahmslos in der Vorrunde. Für Feldhoff ist das kein Wunder. Er hat zu viele Olympiatouristen im eigenen Team ausgemacht. „Bei verschiedenen Athleten und Funktionsträgern habe ich den unbedingten Willen zum Sieg vermisst. Wer mit der Teilnahme an den Olympischen Spielen zufrieden ist, dem fehlt die richtige Einstellung.“ Er dachte da besonders an die Leichtathleten. Bei denen fiel etwa die Sprinterin Sina Schielke, gescheitert im Vorlauf, mit dem originellen Satz auf, dass sie „morgens noch nie richtig laufen konnte“.

Die Leistungsbilanz in der Leichtathletik ist so schlecht wie seit 1912 nicht mehr. Nur 20 Prozent der deutschen Leichtathleten sind überhaupt in den Endkampf gekommen. „Wenn Athleten und Trainer nach einem Ausscheiden in der Qualifikation Zufriedenheit zeigen, dann ist das nicht hinzunehmen“, sagt Feldhoff verärgert. „Aber ich gehe davon aus, dass die Verantwortlichen beim Deutschen Leichtathletik-Verband sehr schnell reagieren werden.“

Die deutschen Judoka haben die Lektion der Selbsterneuerung schon hinter sich. In Sydney reisten sie mit einer erschütternden Bilanz ab, in Athen holten sie einmal Gold und dreimal Bronze. „Im Judo haben die Verantwortlichen die Athleten auf wenige Zentren konzentriert und die Kräfte gebündelt“, sagt Feldhoff. Danach verwies der DSB-Vizepräsident noch auf die Kanuten. Die wurden mit viermal Gold und dreimal Silber erfolgreichster Teilbereich des Olympiateams. „Die Kanuten haben sehr harte Qualifikationsnormen“, sagt Feldhoff, der auch Präsident des Deutschen Kanuverbands ist.

Jetzt will der 66-Jährige die Qualifikationsnormen für Olympia für alle erheblich verschärfen. „Über Gesundheitsnachweise wird keiner mehr zu Olympia kommen, wenn es nach mir geht. Es zählen nur noch die knallharten Leistungsnachweise bei einer Qualifikation.“ Die Schweden würden es vormachen. Die sind mit nur neun Leichtathleten angereist, aber sie fliegen mit sechs Medaillen zurück.

Und wenn er zu den Japanern blickt, dann wird Feldhoff noch neidischer. „Die haben echte Siegertypen an den Start gebracht.“ Er hatte einmal vor den Olympischen Spielen mit den japanischen Funktionären geredet. Die wollten ihre Medaillenausbeute von Sydney (18) unbedingt erhöhen. 25 Medaillen war für Athen das Ziel. Erreicht haben sie 36.

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