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Fertigmachen zum Abheben. Severin Freund ist in dieser Saison der konstanteste deutsche Skispringer im Weltcup. Foto: Imago

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Sport: Die guten Weiten sind vorbei

Bei der Vierschanzentournee gehen die Deutschen als Außenseiter an den Start

Die Werber des Marktes Oberstdorf im Allgäu hinken dem sportlichen Geschehen offenbar einige Jahre hinterher. Auf der Homepage der Gemeinde versuchen sie die Karten für das traditionelle Auftaktspringen der Vierschanzentournee auf der Schattenbergschanze mit folgender Frage an den Mann oder die Frau zu bringen: „Kann der Österreicher Wolfgang Loitzl seinen Vorjahressieg wiederholen oder können die deutschen Adler wieder einen Heimsieg bejubeln?“ Abgesehen davon, dass im Vorjahr der Österreicher Andreas Kofler siegte, entbehrt auch der zweite Teil der Frage jeder Grundlage. Die deutschen Skispringer haben seit acht Jahren nicht mehr in Oberstdorf gewonnen, in diesem Jahr müssen sie sogar froh sein, wenn es einer von ihnen unter die besten zehn schafft.

Die Skisprungsaison hat mäßig begonnen für die seit einigen Jahren ohnehin nicht mehr vom Erfolg verwöhnten Deutschen. Kein Springer von Bundestrainer Werner Schuster liegt zurzeit im Gesamtweltcup unter den besten 15. Auf Rang 16 hat sich Severin Freund platziert, auf Rang 18 folgt Michael Neumayer. „Nicht zuletzt der Start in die Saison war überraschend schwierig und aufgrund der Vorleistungen im Herbst so nicht vorherzusehen“, sagt Werner Schuster. Der Bundestrainer müsste eigentlich mit einer gehörigen Portion Verzweiflung in die am 28. Dezember (Qualifikation) und 29. Dezember (Springen) in Oberstdorf beginnende Vierschanzentournee gehen. Wenn da nicht dieses letzte Weltcup-Springen in Engelberg gewesen wäre.

In Engelberg überraschte Stephan Hocke mit Rang fünf, Severin Freund segelte auf Rang acht, Michael Neumayer flog auf Rang 13. „Der letzte Wettkampf in Engelberg hat uns gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, sagt Werner Schuster in einer Mitteilung des Deutschen Skiverbandes. Er glaubt nun, dass der eine oder andere bei der Vierschanzentournee „individuell sehr gute Ergebnisse“ erreichen könnte. So vermessen, an Siege zu denken wie die Werber von Oberstdorf, ist der Bundestrainer natürlich nicht. Er sagt: „Unser Anspruch ist es, ein bis zwei Athleten unter die Top 10 der Tourneewertung zu bringen.“

Falls das überhaupt gelingt, dürften diese besten deutschen Springer auf eher unbekannte Namen hören. Die arrivierten Martin Schmitt und Michael Uhrmann springen zurzeit auch der deutschen Konkurrenz hinterher. Beide haben zwar bei den Olympischen Winterspielen im Februar noch einmal eine Silbermedaille mit dem Team gewonnen. Doch in dieser Saison läuft es noch gar nicht, Schmitt musste sogar aus dem Weltcup genommen werden und absolvierte ein Einzeltraining in Lillehammer. „Bei der Tournee will ich von Beginn an jeden Sprung nutzen, um noch besser zu werden“, sagt der 32-Jährige. Von den Oldies kann einzig Michael Neumayer einigermaßen mithalten, er will am Ende unter die besten zehn Springer der Tournee kommen. Die deutschen Hoffnungen aber tragen andere Namen.

Seit Engelberg ist Stephan Hocke wieder ein gutes Ergebnis zuzutrauen. Der 27-Jährige ist nach seinem Olympiasieg 2002 mit der Mannschaft oftmals in die zweite Reihe abgerutscht. So auch in dieser Saison, als er in den Continental Cup, die zweite Liga des Skispringens, zurückgestuft worden war. Dort aber überzeugte er mit drei Siegen und durfte in Engelberg zurück in den Weltcup. Mit den Plätzen 22, 16 und 5 bewies er dort, dass er wieder mit den Weltbesten mithalten kann. „Mit dem fünften Platz im letzten Springen hätte ich zwar nicht gerechnet, aber so eine Platzierung motiviert natürlich zusätzlich“, sagt er. Auch der 22 Jahre alte Severin Freund zeigte in Engelberg mit den Plätzen 13, 18 und 8 Konstanz. Die beiden 19 Jahre alten Pascal Bodmer und Richard Freitag zählen ebenfalls zu den jungen Springern, die für eine Überraschung sorgen könnten.

Vor kurzem hatte der Bundestrainer die Mentalität der drei älteren Springer kritisiert, die sich nicht mehr viel sagen lassen würden. „Sie müssen auf den ersten beiden Stationen der Vierschanzentournee Farbe bekennen“, sagte Bundestrainer Werner Schuster in Engelberg. Mit 13 deutschen Springern geht er in die Tournee, nach dem Neujahrsspringen aber darf er nur noch sieben Springer für Innsbruck und Bischofshofen nominieren. „Da wird knallhart ausgesiebt“, sagt er, „da geht es nicht mehr um Namen, die besten Sieben gehen weiter – egal, wer das ist.“ Es könnte also die Vierschanzentournee des Umbruchs werden für die deutschen Springer. Ob das auch die Werber von Oberstdorf merken?

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