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Sport: „Die haben meine Karriere beendet“

Jörg Jaksche, der Kronzeuge des Radsports, gibt die Suche nach einem Team auf

Berlin - Jörg Jaksche liegt am Strand in Ägypten. Er hat Zeit, ein paar Tage Urlaub mit seiner Freundin zu machen, denn Jörg Jaksche ist arbeitslos. Und wird dies in seinem erlernten Beruf wohl auch bleiben, die Vermittlungschancen für eine neue Stelle stehen sehr schlecht. Dabei ist er arbeitswillig und durchaus qualifiziert. „Es gibt keinen Grund, mich nicht zu nehmen“, sagt er und wirkt dabei sehr aufgeräumt. Dennoch geht der erste Kronzeuge des Radsports davon aus, dass „meine Karriere beendet worden“ ist. „Wenn ich noch einen Job fände, wäre das ungefähr so, als wenn die Opec Solarzellen herstellen würde“, sagt er.

Noch am vergangenen Donnerstag habe er sechseinhalb Stunden hart trainiert. Härter als viele andere Radprofis, die Belastung durch Rennen muss er simulieren. Jaksches Name war 2006 in den Akten des spanischen Dopingarztes Eufemiano Fuentes aufgetaucht; er gestand 2007, Blutdoping betrieben zu haben. Als Kronzeuge sagte er umfangreich über das Dopingsystem aus, erhielt eine verkürzte Sperre und wäre ab Juli wieder startberechtigt. Wäre. „Ein Verstoß gegen die Omerta ist eine Königsbeleidigung, die nicht geduldet wird. Die Schlacht haben die anderen gewonnen.“ Jaksches ehemaliger Teamkollege Bjarne Riis hat recht behalten, als er sagte, dass Jaksche keinen Job mehr bekommen werde. „Dabei wäre ich sehr gerne noch einmal an seinem Begleitwagen vorbeigefahren.“ Doch das Kartell des Schweigens hat gesiegt und Riis, der 1996 gedopt für das Team Telekom die Tour de France gewann und inzwischen Teamchef bei CSC ist, ist nur einer von denen, die irgendwie schon immer dabei sind und nun – wieder einmal und unter erschwerten Bedingungen – den großen Neuanfang im Radsport propagieren. „Ich habe vor einem Jahr nicht damit gerechnet, dass viele, die ihre Leute früher persönlich mit dem Bus zu Fuentes gefahren haben, jetzt die Allgemeinheit so auf den Arm nehmen“, sagt Jaksche.

Er meint den Fortbestand der Radsportwelt, so wie sie immer war, und er meint seine persönliche Geschichte. Eine Zeit lang gehörte es zum guten Ton, sich positiv über den Kronzeugen zu äußern, gebracht hat es Jaksche am Ende nichts. Nach einigen Absagen hatte er zuletzt Kontakt zum deutschen Team Milram. Als die „Süddeutsche Zeitung“ dort wegen Jaksche nachfragte, hieß es aber, dass es keinen Vertrag für den Radprofi geben werde. So erfuhr der 31-Jährige von einem Journalisten, dass seine Bemühungen vergebens waren. Jaksche hatte versucht, die geforderten „Unbedenklichkeitserklärungen“ zu liefern. Die Milram-Verantwortlichen Gerry van Gerwen und Martin Mischel hatten Jaksche eine eventuelle Beschäftigung in Aussicht gestellt, wenn er entsprechende Papiere verschiedener Organisationen wie des Weltverbands UCI, des Tour-Veranstalters ASO oder der Teamorganisation IPCT vorlegen könne. „Bei der IPCT haben sie mir gesagt, dass sie Charterflüge für belgische Radprofis buchen, für so etwas aber nicht zuständig sind“, sagt Jaksche, der sich ein Jahr lang so gefühlt hat, als ob er gegen Wände laufe. Genau erklären, weshalb er überhaupt solche Freifahrtscheine benötigt, kann er selbst nicht: „Der Weltverband sagt, ich darf fahren. Ich stehe unter keinem Verdacht, und ein Prozess wartet auch nicht auf mich.“

Andere Fahrer haben es besser. Der Italiener Ivan Basso, der auch in den Fuentes-Skandal verwickelt war, aber niemals Doping zugegeben hat, hat nach Ablauf seiner zweijährigen Sperre gleich wieder Arbeit gefunden. Beim Pro-Tour-Team Liquigas, das den Kodex mitunterzeichnet hat, Dopingsünder auch nach ihrer Sperre zwei Jahre lang nicht anzustellen. Liquigas wurde deshalb von den anderen Teams ausgeschlossen. „Ich habe mich sehr für Ivan gefreut, als ich davon gehört habe“, sagt Jaksche. „Basso stellt nicht das Dopingproblem dar. Viele aus der Fuentes-Affäre sind trotz der vorliegenden Blutbeutel nicht identifiziert worden und stehen auf den Podesten.“ Es dürften ohnehin nicht nur die Fahrer kriminalisiert werden.

In der Rückschau würde Jaksche seinen Weg trotz allem „noch einmal gehen“. Was er in Zukunft machen will, weiß er noch nicht genau. Vielleicht nimmt er sein BWL-Studium wieder auf. Oder arbeitet weiter im Bereich der Aufklärung, aber „nicht so mit dem empörten Zeigefinger wie der Professor Franke“. Man kann sich den eloquenten Jaksche gut im Fernsehen als fachkundigen Begleiter der Tour de France vorstellen. Falls detaillierte Aufklärung dort erwünscht ist.

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