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Sprung nach oben. Martina Strutz gewinnt Silber im Stabhochsprung. Foto: dpa

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Sport: Die Hinüberfliegerin

Strutz veredelt mit Silber einen steilen Aufstieg

Berlin - Vor ihrem letzten Versuch streckte Martina Strutz die Zunge heraus, eine Geste kindlicher Freude. Sie war bereits Vizeweltmeisterin, sie hatte bereits für eine Überraschung gesorgt, sie hatte mit 4,80 Meter deutschen Rekord gesprungen, es war eigentlich egal, ob sie auch noch 4,90 Meter überqueren würde. Klar, sie wollte Weltmeisterin im Stabhochsprung werden, aber kaum jemand rechnete damit. Sie hatte 4,85 Meter im ersten Versuch gerissen und dann die Latte auf 4,90 Meter legen lassen, doch die Spannung war weg. Sollte doch Fabiana Murer, die Brasilianerin, mit ihren 4,85 Metern den Titel holen.

Martina Strutz vom ESV Hagenow in Mecklenburg-Vorpommern hatte längst mehr erreicht, als sie erhofft hatte. „Ich bin total happy“, verkündete sie strahlend. Nachdem sie 4,80 Meter überquert und ihren deutschen Rekord um zwei Zentimeter gesteigert hatte, da vollführte die 29-Jährige noch auf der Matte einen Freudentanz. Das war dieselbe Frau, über die der Leitende Bundestrainer Herbert Czingon vor wenigen Monaten noch gesagt hatte: „Ich hatte nicht mehr damit gerechnet, dass sie die Kurve kriegt.“

Ihren letzten größeren internationalen Auftritt hatte Martina Strutz, 1,60 Meter groß, diverse Tattoos, vor fünf Jahren – da wurde sie Fünfte der EM, da sprang sie 4,50 Meter, persönlicher Rekord. Er hielt bis 2011. Doch nach der EM 2006 versank sie in der Unauffälligkeit. Das hatte mit Verletzungen zu tun, aber auch mit den Bierchen, die sie damals gerne zischte. 2010 war ihre beste Höhe 4,30 Meter.

Immerhin, muss man sagen, da war sie nämlich schon seit ein paar Monaten bei Thomas Schuldt, ihrem neuen Trainer. Der ist eigentlich Wurftrainer, hatte aber ein paar grundsätzliche Entscheidungen getroffen. Die wichtigste betraf ihre Ernährung. Wochenlang hat Martina Strutz danach nur Fleisch und Möhren gegessen; alle vier Stunden 100 Gramm Nackensteaks oder Hähnchen, dazu jeweils eine Karotte. Sie nahm zehn Kilogramm ab und arbeitete intensiv im Kraftraum. Ein russischer Trainer, den sie eher zufällig in Taiwan traf, nahm ihren Arm und sagte in gebrochenem Deutsch: „Wenn Du so machen mit der Arme, dann springen 4,70 Meter.“ Weitere technische Tipps erhielt sie von Vladimir Ryzih, Vater der deutschen Stabhochspringerin Lisa Ryzih. Früher war sie beim Anlauf einer der Langsamsten, jetzt ist sie so schnell wie die anderen. Weil sie so klein ist, muss sie die körperlichen Nachteile mit mehr Kraft und Schnelligkeit ausgleichen. „Es war meine letzte Chance“, sagte Martina Strutz im Sommer.

In diesem Jahr katapultierte sie sich für Außenstehende quasi aus dem Nichts von Sieg zu Sieg. Ihren ersten Freiluft-Wettbewerb beendet sie mit 4,58 Metern. Am 12. Juli sprang sie mit 4,78 Metern deutschen Rekord und setzte sich an die Spitze der Jahresweltrangliste. Und Czingon sagte staunend: „So eine Steigerung habe ich noch nie erlebt. Das ist sehr, sehr erstaunlich.“ Bei den deutschen Meisterschaften gewann sie den Titel und ließ „pro forma“ 4,79 Meter auflegen. Damals noch scheiterte sie an der nationalen Bestmarke. In Daegu nicht mehr. Frank Bachner

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