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Sport: Die Hoffnung lebt

Tennis Borussia kämpft in der Oberliga um Anerkennung

Von Karsten Doneck

Berlin. Die Gehässigkeit ist immer noch die alte. „Judenpack, Judenpack!“, grölte ein einzelner, offenbar vom Biergenuss in seinen Gedankengängen etwas gehandikapter Mann am Spielfeldrand in Richtung der Fans von Tennis Borussia. Doch anstatt diesen Schreihals ob seiner verbalen Entgleisung von der Sportanlage am Freiheitsweg zu verjagen, klatschten Spieler und Kotrainer der Reinickendorfer Füchse später, als gerade das 2:0 gefallen war, ihren grölenden Fan noch ab. Eine peinliche Sache.

Tennis Borussia, Leidtragender dieser kleingeistigen Beschimpfung, erträgt derlei Gastfreundschaft mittlerweile relativ gelassen. Heinz Pietzsch, der TeBe-Ehrenpräsident, hat ja vor zwei Jahren nach dem Lizenzentzug für die Zweite Liga schon mal resignativ festgestellt: „Was sollen wir machen? Uns will ja doch keiner haben.“ Das klang ein bisschen nach weinerlichem Selbstmitleid. Inzwischen ist TeBe bis in die Fußball-Oberliga durchgereicht worden. Und sucht dort nach einem Neuanfang. Axel Lange, Ex-Torwart bei TeBe und nun als Aufsichtsratsvorsitzender der starke Mann im Verein, hat angekündigt, in dieser Saison aufsteigen zu wollen. Zu derlei Ankündigungen passte das 0:3 in Reinickendorf natürlich wie Curry-Ketchup zum Kaviar. Als „blamable Vorstellung“ wertete TeBe-Trainer Peter Ränke den Auftritt. „Wie gelähmt“ habe die Mannschaft gewirkt, sagt Axel Lange.

Und prompt gab es an Ränke, erst seit Saisonbeginn im Amt, erste Kritik. Axel Lange beeilte sich um Klarstellung: „Er macht ein hervorragendes, sehr modernes Training, ich kann nur Positives von ihm berichten.“ Ränke seinerseits handelte. „Wir haben das in Ruhe und ganz sachlich ausgewertet.“ Die Methode hatte Erfolg. Nur drei Tage später schlug TeBe das Team von Lok Stendal 5:1. Alle waren wieder zufrieden. Nun hofft Tennis Borussia, sich nach und nach wieder beweisen zu können. Vielleicht auch vor größerem Publikum – etwa am Mittwoch im DFB-Pokal gegen St. Pauli (Beginn 19.30 Uhr, Mommsenstadion). „Man merkt, dass es bei uns ganz, ganz langsam aufwärts geht“, meint Vorstandsmitglied Erhard Rösler. Hoffnung ist immer noch da bei Tennis Borussia.

Der Aufwärtstrend ist auch damit verknüpft, dass die Borussen, wie Axel Lange ausdrücklich betont, derzeit schuldenfrei sind. Der Etat, etwa 500 000 Euro für die laufende Saison, sei auch „fast vollständig gedeckt". Und irgendwo scheinen ein paar Notgroschen zu stecken. So wollte TeBe vor kurzem Sven Benken verpflichten. Der Abwehrspieler, der bei Hansa Rostock keinen Vertrag mehr bekommen hat, „saß schon bei mir im Büro“, sagt Lange. Die Verhandlungen zerschlugen sich, weil Benken von lukrativeren Angeboten erfuhr.

Der Aufstieg wird schwer. Fünf Punkte hat TeBe in den ersten fünf Spielen schon abgegeben. Den Verein entzürnt freilich ein ganz anderes Problem. Erstmals seit dieser Saison genehmigt der DFB den Bundes- und Zweitligisten den Einsatz von drei Profis sowie beliebig vielen Spielern unter 24 Jahren in den jeweiligen Amateurmannschaften. Hertha BSC und Hansa Rostock, deren Amateurmannschaften mit TeBe in der Oberliga Nordost/Nord wetteifern, nutzen das weidlich aus. Axel Lange schimpft: „Da setzt Hertha BSC bei den Amateuren mit Rehmer und Beinlich zwei Nationalspieler ein, Hansa Rostock läuft mit einem halben Dutzend Bundesligaspielern zu einem Spiel der Amateuroberliga auf – damit macht der DFB doch die kleinen Vereine kaputt, das ist Wettbewerbsverzerrung.“ Und Klaus Schumann, Vorstandsvorsitzender bei TeBe, fügt hinzu: „So fährt der DFB den Amateurfußball an die Wand."

TeBe wird weiter Fußball spielen. Nicht nur gegen Füchse und Stendal, notfalls auch gegen DFB und Profis und gegen die, die noch „Judenpack“ rufen. Aber ob es am Ende zum Aufstieg reicht? Lange bleibt Optimist, auch nach dem 0:3 am Freiheitsweg. „Von mir werden sie nicht hören: Das war’s dann wohl“, sagte er. Es gibt noch Kämpfer bei TeBe.

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