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Sport: „Die Jungen können mithalten“

Bernd Schneider über die deutschen WM-Chancen und die Rolle des Alters

Herr Schneider, Sie bestreiten heute ihr 61. Länderspiel, warum tun Sie sich das noch an?

Sie werden es kaum glauben: Weil es mir Spaß macht. Es freut mich immer noch, dabei zu sein. Und das wird sich so kurz vor der WM auch nicht mehr ändern.

Sie sind mit 32 Jahren der älteste deutsche Feldspieler und jemand, den der Bundestrainer nie in Frage gestellt hat. Dabei passen Sie so gar nicht in sein Altersmodell. Was haben Sie gegen Klinsmann in der Hand?

Das ist ja eine tolle Frage. Das mit dem Alter wird einfach übertrieben. Es sind zwar einige ältere Spieler nicht mehr dabei und dafür viele junge Spieler in den vergangenen 18 Monaten gekommen, aber am Ende zählt die Leistung. Und die bringe ich – bis auf wenige Ausnahmen.

Das Italien-Spiel war eine Ausnahme?

Davon bin ich überzeugt. Wir haben ja schon bewiesen, dass wir es besser können. Nehmen Sie den Confed-Cup, bei dem es nur ein bisschen fehlte für ganz oben, oder das 0:0 gegen Frankreich.

Aber seit dem Confed-Cup ging die Entwicklung der Mannschaft nicht gerade steil nach oben.

Da ist etwas dran. Aber Rückschläge gibt es immer mal, für jede Mannschaft. Ich bin davon überzeugt, dass wir rechtzeitig unsere beste Form finden.

Die Situation heute ist vergleichbar mit der vor der WM 2002. Auch damals spielte das Team wenig überzeugend.

Ach, wissen Sie, Vergleiche sind immer heikel. Die Situation lässt sich schon deswegen schwer vergleichen, weil die WM diesmal nicht am anderen Ende der Welt stattfindet, sondern im eigenen Land. Da schauen alle viel genauer hin.

Sehen Sie gar keine Parallelen?

Kurz vor der WM 2002 haben wir auch ein Länderspiel gegen Wales verloren und niemand hatte uns eine gute Rolle beim Turnier zugetraut. Vielleicht ist das ein bisschen vergleichbar mit der Grundstimmung jetzt. Aber ich sage trotzdem: Weltmeister können wir frühestens am 9. Juli 2006 werden und nicht jetzt.

Und was ist, wenn auch das Spiel gegen die USA verloren geht?

Das wird nicht passieren.

Was macht Sie da so sicher?

Unsere Motivation und unsere Moral. Wir haben etwas gutzumachen. Das Spiel gegen Italien war schlecht, keine Frage. Wir lagen schnell 0:2 zurück und haben dann noch den Fehler gemacht, dass wir unbedingt einen schnellen Anschlusstreffer wollten. Das kam den Italienern entgegen. Aber wir haben uns zusammengesetzt und die Dinge offen angesprochen. Ich würde mir wünschen, dass die Fans und die Medien etwas Ruhe bewahrten. Wir werden in Form sein, wenn es drauf ankommt.

Aber bis dahin wird der Druck von außen auf Mannschaft und Trainer wachsen. Befürchten Sie, dass die junge Mannschaft damit überfordert ist?

Überhaupt nicht. Die Mannschaft hat beim Confed-Cup bewiesen, dass sie dem Druck standhält. Und unsere jungen Spieler haben die Erfahrung gemacht, dass sie mit den Besten mithalten können. Aber ich weiß, dass sich die Aufgeregtheiten noch steigern werden. Ich sehe das ja an meinem privaten Umfeld.

Wie äußert sich das?

Dass alle Karten haben wollen, können Sie sich ja denken. Aber sie stellen jetzt mehrfach auch andere Fragen: zum Team, zur Leistung, zur Aufstellung, zum Bundestrainer – na ja, das ganze Programm eben.

Und Sie nehmen dann quasi die Rolle des Bundestrainers ein?

Komisch, aber genau so ist es.

Und, sind Sie überzeugend?

Da müssen Sie meine Freunde fragen. Aber in diesem Land ist jeder doch ein bisschen Bundestrainer, oder?

Das Gespräch führte Michael Rosentritt.

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