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Sport: Die Karnevalsvereinsbesieger

Zu Beginn der Play-offs nahm sie keiner ernst – heute können die Krefeld Pinguine deutscher Eishockey-Meister werden

Berlin. In Krefeld haben sie ein Problem, sozusagen ein klerikales. Was nun, wenn die Pinguine am Donnerstagabend ihr drittes Spiel in der nach dem Modus „Best of five“ gespielten Finalserie um die deutsche Eishockey-Meisterschaft bei den Kölner Haien gewinnen sollten? Dann müsste einen Tag später in der rheinischen Stadt die Meisterparty steigern. Doch eine Feier am Karfreitag? Unmöglich! Das haben die Kirchenoberen der katholischen Hochburg Krefeld in den vergangenen Tag klargestellt. Auch der Geschäftsführer der Pinguine, Wolfgang Schäfer, gehört zur Glaubensgemeinde und hält sich an das Wort der Kirche. „Am Karfreitag wird bei uns nicht gefeiert, egal, was am Donnerstag auch passiert“, sagt Schäfer.

Immerhin, eine eigens angefertigte Kerze darf im Titelfall angezündet werden. Die nicht eben religiöse Aufschrift „Deutscher Meister 2003, Krefeld Pinguine“ prangt auf dem Stück Wachs. Einiges spricht dafür, dass zumindest auf der Geschäftsstelle der Pinguine am Freitag hinter verschlossener Tür ein wenig gefeiert wird. Mit geradezu unverschämter Leichtigkeit haben sich die Krefelder in den Play-offs durchgeschlagen.

Als Tabellensechster der Hauptrunde der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) bezwangen sie im Viertelfinale die Düsseldorfer EG. Das nahm noch keiner ernst. Auch nachdem im Halbfinale der Favorit auf den Titel, die Eisbären Berlin, nach vier Spielen die Rheinlandhalle in Krefeld als Verlierer verließ, wurde aus dem Außenseiter kein Aspirant auf den Titel. Die Kölner Haie würden es schon richten. Zwei Spiele später und zwei Krefelder Erfolge später sieht es anders aus: Der erste Titel für die Krefelder seit 1952 ist nur noch einen Sieg weit entfernt.

Es ist die unglaubliche Leichtigkeit des Außenseiters, die die Krefelder so stark macht. Druck gab und gibt es nicht. Kasernierungsmaßnahmen – wie etwa bei den Eisbären, bei denen Trainer Pierre Pagé seine Spieler während der Play-offs zum Umzug ins Hotel zwang – sind in Krefeld verpönt. Das Erfolgsgeheimnis ist unverschämt einfach, Trainer Butch Goring plaudert gern von „Spaß und Spielfreude“ und davon, dass „Eishockey gar nicht so kompliziert ist“. Christian Erhoff hat es verinnerlicht. „Butch sagt uns, was wir tun sollen, wir halten uns daran, und dann klappt das schon“, sagt der Verteidiger.

Ehrhoff ist neben Torwart Robert Müller einer der zuverlässigsten Spieler in Krefeld. Und das darf schon erstaunen. Ehrhoff ist 20 Jahre alt, Müller 22 und einziger deutscher Stammtorhüter der DEL. Weiterer Erfolgsgarant war in den Play-offs das Sturmduo Christoph Brandner und Brad Purdie. Brandner hat sechs, Purdie sogar elf Tore erzielt. Unter Goring spielen sie ihre beste Saison.

Trotzdem, gewonnen haben die Krefelder noch nicht. Und so zeigte sich Goring einen Tag vor dem dritten Finalspiel ungewohnt angespannt. „Das wird in Köln sehr schwer werden“, sagte der Kanadier. Beleg für die Nervosität Gorings war dessen Erregung über die – seiner Meinung nach – übertriebene Fallsucht des Favoriten: „Beim ersten Spiel habe ich gedacht, wir spielen gegen das deutsche Nationalteam im Tauchen.“

Kölns Trainer Hans Zach hat vor dem Spiel in der mit 18 500 Zuschauern ausverkauften Kölnarena angekündigt: „Wir werden die Meisterschaft auf keinen Fall in eigener Halle verlieren.“ Die Spieler der Pinguine sehen das anders. In Anspielung an die Triumphe über Düsseldorf, Berlin und möglicherweise Köln prangt ein Schild an ihrer Kabinentür, auf dem steht: „Landeshauptstadtbesieger, Bundeshauptstadtbesieger, Karnevalsvereinsbesieger“. Und der finale Triumph soll – ganz nach klerikaler Doktrin – am Ostersamstag mit einem Autokorso vom Stadion zum Rathaus bejubelt werden.

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