zum Hauptinhalt

Sport: Die Kinder der Revolution

Spanien dominiert nicht nur im Fußball. Der Aufstieg zur Spitzensport-Nation begann mit Olympia 1992 in Barcelona

Für Jorge Lorenzo gehören nicht nur Fußballer zur spanischen Nationalelf. „Wir haben Größe durch Pau Gasol, Stärke durch Rafa Nadal, Ausdauer durch Alberto Contador, Präzision durch Fernando Alonso und jetzt auch noch Tore!“, sagte der zweifache Motorrad-Weltmeister nach dem gewonnenen Finale der Fußball-Weltmeisterschaft. „Wahrscheinlich sind wir eine der besten Sportlergenerationen, die es je gab. Seid glücklich!“

Lorenzos Analyse teilen viele: Spanien ist nicht nur Europa- und Weltmeister im Fußball, Spanien triumphierte in den vergangenen Jahren auch im Basketball (Europameister 2009, Weltmeister 2006) und Handball (Weltmeister 2005). Tennis-Ass Rafael Nadal ist Weltranglistenerster, und Fernando Alonso war 2005 und 2006 Formel-1-Weltmeister, Pau Gasol gewann gerade mit den Los Angeles Lakers seinen zweiten NBA-Titel hintereinander. Was hat man dieser goldenen Generation bloß in den Babybrei getan? Geboren nach Francos Tod, die meisten in den optimistischen achtziger Jahren, hat diese Generation die Komplexe der Vergangenheit abgestreift: Aus dem Land hinter den Pyrenäen zu stammen ist kein Makel mehr. Spanien ist weltoffen. Die Sportstars des Landes verstehen sich nicht als Repräsentanten eines Staates oder einer Region, sondern als Profis – und widerlegen damit eines der beliebtesten Klischees. Denn lange Zeit erklärte man die notorische Erfolglosigkeit in Mannschaftssportarten wie Fußball mit politischen Differenzen: Basken, Katalanen und Kastilier könnten einfach nicht gemeinsam auflaufen, weil sie sich dann sofort wegen ihrer regionalen Differenzen in die Haare bekämen. „Dabei gab es lange Zeit einfach keine vernünftige Förderstruktur“, erklärt Luis Lucio, Sprecher des spanischen Staatssekretariats Sport. „Wo die fehlt, haben eben nur Ausnahmekünstler wie der Golfer Severiano Ballesteros eine Chance.“

Zum Wendepunkt sollten die Olympischen Spiele in Barcelona 1992 werden. In den späten achtziger Jahren vervielfachte die Regierung die Investitionen in den Sport: Stadien, Schwimmbäder und multidisziplinäre Hochleistungssportzentren entstanden, Sportprogramme in ganz Spanien wurden ausgebaut, das ganze Land fieberte mit. Mit dem Plan ADO erfanden das Nationale Olympische Komitee und das Sportsekretariat eine Art Exzellenzinitiative für künftige Olympioniken, über Sponsoren finanziert aus privater Hand. In Barcelona gewannen die spanischen Sportler 22 Medaillen, so viele wie nie zuvor. „Das Programm ADO hat den spanischen Sport verändert“, sagte Fermin Cacho, der damals als erster Spanier im 1500-Meter-Lauf siegte, kürzlich in einem Zeitungsinterview, „und die Sportler von heute sind die Kinder der olympischen Revolution von damals“.

Bis zu den Olympischen Spielen in Peking flossen 250 Millionen Euro über das Programm ADO in den spanischen Sport. Derzeit hat die gemeinnützige Organisation ein Budget von 45 Millionen Euro. Außerdem hinterließ Olympia exzellent ausgestattete multidisziplinäre Hochleistungssportzentren wie das CAR Sant Cugat, dessen Kaderschmiede unter anderem Synchronschwimmerin Gemma Mengual entsprang. Mit drei multidisziplinären und 22 auf Einzeldisziplinen zugeschnittenen Hochleistungssportzentren hat Spanien ein relativ dichtes Netz an öffentlichen Eliteeinrichtungen. Dazu kommen die großen Klubs wie Real Madrid und der FC Barcelona, die nicht nur im Fußball herausragen, sondern auch in Sportarten wie Basketball, Baseball, Futsal, Rollhockey, Handball und sogar Eishockey investieren. Die Jugendabteilungen solcher Klubs waren für die meisten der rund 5000 spanischen Spitzenathleten das Tor in den Hochleistungssport.

Von einer Wirtschaftskrise gibt es im spanischen Sport bislang keine Spur: Durch Sparmaßnahmen sind die öffentlichen Investitionen in Infrastruktur und Förderprogramme um vier bis fünf Prozent gekürzt worden, die private Beteiligung am Plan ADO ist aber dank Steuervorteilen um 60 Prozent gestiegen. „Die Krise wird dem spanischen Sport nichts anhaben können“, glaubt Sportsekretariatssprecher Luis Lucio. „Die spanische Gesellschaft ist verrückt nach Sport, daher sind Investitionen von Firmen in ihn lukrativ.“

Vor lauter Begeisterung guckt man manchmal lieber nicht so genau hin: Ein gewisser Eufemiano Fuentes soll Dutzende Radfahrer, Tennisspieler und andere Athleten (vielleicht auch Fußballer) mit Epo und Eigenblut behandelt haben. Der Öffentlichkeit ist das egal, Hauptsache Alberto Contador ist der Konkurrenz eine Radlänge voraus. Die laxe spanische Dopingpolitik und die Toleranz, mit der die Medien das Thema behandeln, sind wohl dem spanischen Sportfieber geschuldet. Noch werden sie von den Triumphen der goldenen Generation überstrahlt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false