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Sport: Die Kleinen siegen nur im Kino

Wegen der Dominanz des FC Chelsea macht sich in der Premier League die Langeweile breit

Der Vergleich mit Hollywood liegt nahe. Leider muss man erkennen, dass nicht der berühmte Londoner Autor Alfred Hitchcock, sondern wohl eher ein minder talentierter Student von der Film-Hochschule in Kentucky das Drehbuch für die Premier League im Jahr 2005 geschrieben hat: Mit Originalität und Spannung ist es im englischen Fußball nicht weit her, weil die Favoriten ja doch immer gewinnen. Schon seit Wochen mischt das Führungstrio Chelsea, Arsenal und Manchester United die Statisten der Liga fast nach Belieben auf. Die Meisterschaftsrivalen geben sich keine Blöße, zu schwach ist derzeit die Gegenwehr der Premier-League-Komparsen.

Am Neujahrstag schien zumindest der ruhmreiche FC Liverpool gewillt, dem designierten Meister das Rampenlicht ein wenig streitig zu machen. Der leicht überspielte Tabellenführer FC Chelsea lief an der Anfield Road Ball und Gegner in der ersten Hälfte meist hinterher. Dietmar Hamann, zuletzt nur als Einwechselspieler tätig, durfte seelenruhig die Bälle verteilen, in den Strafräumen tat sich allerdings wenig bis nichts. Ohne die verletzten Stürmer Milan Baros und Djibril Cissé konnten die Liverpooler die stärkste Abwehr das Landes kaum beschäftigen. Auf der anderen Seite blieb Chelseas viel gerühmtes „dynamic duo“ der Flügelstürmer Damien Duff und Arjen Robben ähnlich harmlos.

Und doch kam es, wie es zwar nicht immer, aber doch fast immer kommt, wenn die disziplinierten Defensivspezialisten aus Chelsea auflaufen. Zehn Minuten vor Schluss traf der kleine Joe Cole – wie schon im Hinspiel im August – zum 1:0 für die von José Mourinhos taktisch perfekt ausgerichtete Mannschaft. Es passte ins Bild, dass der Ball von Liverpools Jamie Carragher noch abgefälscht wurde. „Das ist nun mal das Glück, das Meister brauchen“, sagte Mourinho, obwohl auch er zugeben musste, dass ein Unentschieden sicher „das gerechte Resultat“ gewesen wäre. Aufrichtig bescheiden wird der 41-jährige Portugiese jedoch nicht mehr in seinem Leben. „Die Einstellung war gut, die Mannschaft war gut, der Charakter war gut, der Trainer war gut“, stellte er mit der ihm eigenen Selbstherrlichkeit fest. Eigenlob mag stinken. Aber den Geruch ertragen müssen die Verfolger. Wer mit fünf Punkten Abstand oben steht, der genießt in vollen Zügen frische Luft.

Nach einer begeisternden Phase der 4:0-Siege ist die von zahlreichen Ausfällen geschwächte Elf unwillkürlich zu jenem granitharten Ergebnisfußball zurückgekehrt, der die Zeitungen im Sommer schon um die Attraktivität der Liga fürchten ließ. Noch halten Arsenal und Manchester United – mit Siegen in Charlton (3:1) beziehungsweise Middlesbrough (2:0) – Schritt. Doch Chelseas erster Meistertitel seit 1955 im 100. Vereinsjahr scheint schon beschlossene Sache zu sein. Und die 334 Millionen Euro, die Roman Abramowitsch seit der freundlichen Übernahme des Klubs vor 18 Monaten laut offiziellen Angaben in den Verein gepumpt hat, waren ja erst der Anfang. Boltons Trainer Sam Allardyce schwant bereits, dass der Russe mit seinem märchenhaftem Kontostand die Premier League „eine Dekade lang“ beherrschen wird.

Wer auch mal die Kleinen gewinnen sehen will, der sollte vielleicht lieber ins Kino gehen.

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