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Sport: Die Kleinen spielen ihren Größten aus

In St. Pauli kämpfen Tibet, Grönland, Sansibar und andere um den WM-Titel

Die „90 Minuten von Vanlöse“ sind längst zur Legende geworden. Am 30. Juni 2001 standen sich im Stadion des Kopenhagener Stadtteils zwei Fußball-Nationalteams gegenüber, die nicht sonderlich für große spielerische Kunst bekannt geworden sind: 5011 Neugierige lockte das Spiel zwischen Grönland und Tibet an, das die Nordeuropäer mit 4:1 für sich entschieden. Selbst die Fernsehsender CNN und BBC zeigten Bilder vom ultimativen Duell der Fußballzwerge.

Wegen eines Transportstreiks konnten damals nur zwei grönländische Spieler nach Dänemark einreisen. In Kopenhagen lebende grönländische Studenten mussten aushelfen. Der damalige Nationaltrainer Sepp Piontek betreute somit fast ausschließlich Spieler, die er zuvor noch nie gesehen hatte. Das gegnerische Team setzte sich aus Exil-Tibetern zusammen. Durch den Protest Pekings gegen die Austragung erhielt die Partie eine politische Dimension. China drohte mit der Einstellung des Krabbenimports aus Grönland.

Knapp fünf Jahre später gilt das Spiel als Wegbereiter für eine Veranstaltung, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Im Hamburger Millerntorstadion, der Heimstätte des Fußball-Regionalligisten FC St. Pauli, findet vom 29. Mai bis zum 3. Juni die inoffizielle Weltmeisterschaft der Fußballzwerge statt – der „Fifi Wild Cup 2006“. Zum alternativen WM-Turnier der „Fédération Internationale de Football Independent“ (Fifi) sind nur Nicht-Fifa-Mitglieder zugelassen.

Sechs Teams ermitteln ab Montag den Größten der Kleinen. In Gruppe A trifft Tibet auf Gibraltar und die „Republik St. Pauli“, eine Auswahl des Gastgebers. In Gruppe B ermitteln Sansibar, Grönland und die Türkische Republik Nordzypern die beiden Halbfinalisten. Zum Klassiker zwischen Grönland und Tibet könnte es also erst im Halbfinale kommen. Das Endspiel findet am Sonnabend, 3. Juni, 18 Uhr, statt und wird vom DSF live übertragen.

„Die Idee zu dem Turnier ist aus einer Bierlaune heraus entstanden“, sagt Michael Meeske, Geschäftsführer des FC St. Pauli. „Das Ganze wird von einem Laisser-faire-Gedanken geprägt sein. So etwas kommt heutzutage oft zu kurz. Der Fußballwelt wird das gut tun.“ Meeske rechnet mit 5000 bis 15 000 Zuschauern pro Spiel. Zum Publikumsmagneten dürfte neben der Türkischen Republik Nordzypern auch Tibet werden. „Wir erwarten bis zu 2000 Tibeter aus ganz Europa, die ihre Elf lautstark unterstützen werden“, sagt Pablo Lobsang, Vizepräsident der jungen Tibeter in Deutschland. Proteste aus China blieben bisher aus.

Ein heißer Anwärter auf den Gewinn des Fifi-Wild-Cups dürfte Grönland sein. Der bekannteste auf Grönland geborene Fußballer fehlt jedoch dem Team: Jesper Grönkjaer (VfB Stuttgart) spielt für Dänemark. Aufatmen durfte dagegen Gibraltars Teammanager Albert Buhagiar. Sein Mittelfeldakteur Juan Luis Duarte kann spielen. „Nach der Messerattacke eines Drogenabhängigen stand hinter seinem Einsatz noch ein Fragezeichen, doch er hat sich wieder erholt“, sagt Buhagiar.

Christian Goertzen[Hamburg]

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