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Letzter Höhenflug? Nach der Weltmeisterschaft will Issinbajewa eine Familie gründen. 2015 will sie dann noch einmal im Stadion angreifen. Foto: AFP

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Sport: Die Königin und ihr Baby

Jelena Issinbajewas Auftritt soll der russische Höhepunkt werden – und ein kleiner Abschied.

Der König der Athleten wurde gerade gekürt, doch das Volk hatte nur Augen für die Königin. Während die Zehnkämpfer über die abschließenden 1500 Meter hetzten, lief Jelena Issinbajewa an. Für einen einzigen Sprung nur, aber der Jubel nach dem Flug deutete an, wem die Zuschauer am heutigen Dienstag zigtausendstimmig huldigen werden. Im ausverkauften Stadion soll es dann aus Gastgebersicht zum Höhepunkt dieser Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Moskau kommen.

Zur großen Begeisterung des Publikums qualifizierte sich Russlands Stabhochsprung-Ikone Issinbajewa am Sonntagabend mit dem Minimalaufwand von einem Versuch über die geforderten 4,55 Meter für den Endkampf. Es ist auch eine Art persönliches Finale für das Gesicht dieser Titelkämpfe, das auf Linienbussen, Plakaten und auch auf den WM-Medaillen zu sehen ist. Nach dieser WM macht Issinbajewa nämlich erst einmal Pause. Die 31-Jährige, die als Botschafterin der Weltjugendspiele ihr Herz für Kinder bewiesen hat, will eigenen Nachwuchs. „Ich will heiraten und ein Baby bekommen“, sagte sie nach ihrem ersten Auftritt im Luschniki-Stadion.

Doch Schluss mit dem Stabhochsprung soll mit der Übernahme der Mutterrolle noch nicht sein für die Frau, die in ihrer einzigartigen Karriere insgesamt 30 Weltrekorde aufgestellt hat und zudem 2004 und 2008 Olympiasiegerin sowie 2005 und 2007 Weltmeisterin im Freien wurde. „Ich habe nie gesagt, dass ich nach Moskau zurücktrete, da haben mich die internationalen Medien missverstanden. Ich bin bereit für ein Kind, aber nicht für den Rücktritt“, stellte sie klar und ergänzte, dass sie nach der Babypause ein Comeback plane: „Ich hoffe, zur WM 2015 in Peking und Olympia 2016 in Rio zurückzukehren. Aber wenn ich merken sollte, dass ich mein Niveau von 4,90 oder 5,00 Metern nicht mehr erreichen kann, dann werde ich aufhören.“

Noch fühlt sich die frühere Seriensiegerin fit für solche Höhen. „Ich bin in guter Form“, sagte sie. Die musste sie sich mühsam zurückerkämpfen. Nach einer Reihe von Misserfolgen ab 2010 hatte sie wegen Burnout-Symptomen ein ganzes Jahr pausiert. Nun betonte sie, dass sie in Moskau erste Anwärterin auf Gold sei: „Ich bin meine größte Rivalin.“

Als erste Anwärterinnen auf den Sieg im Finale, für das sich auch das deutsche Trio Silke Spiegelburg, Kristina Gadschiew und Lisa Ryzih qualifizierte, gelten aber die kubanische Jahresweltbeste Yarisley Silva und Olympiasiegerin Jennifer Suhr aus den USA. Beide lagen in London 2012 vor Issinbajewa, die sich mit Olympia-Bronze zufriedengeben musste. Suhr hat im vergangenen Winter auch den Hallen-Weltrekord der Frau aus Wolgograd um einen Zentimeter auf 5,02 Meter verbessert. An Issinbajewas Höchstmarke im Freien von 5,06 Metern aus dem Jahr 2009 ist dagegen noch keine andere herangekommen.

An die Höhe ihrer Gagen ohnehin nicht. 2009 unterschrieb die allein durch ihre Siegprämien schon zur Millionärin aufgestiegene Russin beim chinesischen Sportartikelausrüster Li Ning einen Vertrag mit einer Laufzeit bis zum Ende der WM. Der brachte ihr 7,5 Millionen Dollar ein – 7,5 Millionen Gründe, sich den schon lange vorhandenen Kinderwunsch erst nach dieser Weltmeisterschaft zu erfüllen.

Ihren letzten internationalen Titel feierte Issinbajewa bei der Hallen-WM 2012 in Istanbul. Damals liebkoste sie die Goldmedaille und bezeichnete sie als „mein Baby“. Nun freut sich auf einen „nostalgischen Abend“. 1998 gewann die frühere Turnerin in Moskau ihren ersten Stabhochsprung-Titel. 15 Jahre später soll das dritte WM-Gold die große Karriere abrunden. Reinhard Sogl

Reinhard Sogl[Moskau]

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