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Sport: Die Kraft der Berge

Bei der WM in Melbourne steht das Höhentraining der deutschen Schwimmer auf dem Prüfstand

Berlin - Örjan Madsen formt seine Handflächen zu einer Art Schale. Er braucht das zur Erklärung, denn jetzt kommt die Geschichte mit dem Ei. „Beim Höhentrainingslager“, sagt der Cheftrainer der deutschen Schwimmer, „ist es wie mit einem Ei, das gekocht wird.“ Eine Minute zu kochen, nützt gar nichts, „da ist es immer noch roh“. Nach zwei Minuten wird es schon besser, nach rund dreieinhalb, vielleicht auch nach vier, ist es perfekt. So ist es auch mit der Höhe. „Wer nicht bloß drei, sondern vier Wochen in der Höhe bleibt, der hat 15 Prozent mehr rote Blutkörperchen gebildet. Das ist wie eine künstliche Epo-Dosis “, sagt Madsen.

Deshalb geht er mit einigen der deutschen Topschwimmer immer einen Monat in die Höhe. Sechsmal bis zu den Olympischen Spielen wird in dünner Luft trainiert, so ist der Plan. Zwei Höhentrainingslager haben die Deutschen schon hinter sich, als Vorbereitung auf die Weltmeisterschaften in Melbourne, die heute beginnen. Jedesmal zog der deutsche Tross zur Sierra Nevada in Spanien. Und kurz vor der Abreise zur WM, sagte Madsen, waren Helge Meeuw und Antje Buschschulte, die Rückenspezialisten, „noch nie so gut wie in diesem Trainingslager“. Hoffentlich. Denn sonst gerät Madsen in Erklärungsnot. Der Norweger ist Experte für Höhentrainingslager. Das klang alles wunderbar, jedenfalls bis zur Deutschen Wintermeisterschaft. Da schwammen plötzlich die Leute, die in der Höhe trainiert hatten, hinterher. Anne Poleska zum Beispiel, die Olympiadritte über 200 Meter Brust. „Ich weiß nicht, ob ich das nächste Mal wieder in die Höhe fahre“, sagte sie. Dafür schrammte Annika Lurz über 200 Meter Freistil nur knapp am Weltrekord vorbei. Die 27-Jährige hatte ununterbrochen in Würzburg trainiert. Madsen musste sich erstmals verteidigen. Vielen Athleten hätte die körperliche Grundlage gefehlt, um das harte Höhentrainingslager zu verkraften.

Beim zweiten Ausflug nach Spanien war alles anders. Auch Poleska war doch wieder dabei. „Wir haben ein Drittel Kilometer mehr absolviert als im Oktober, 300 statt 200“, sagt Madsen. Auch Lagerkoller war diesmal kein Thema. Beim ersten Trainingslager in der Sierra Nevada konnte Helge Meeuw, der Weltklasseschwimmer über 200 Meter Rücken, kaum schlafen, seine Trainingsleistungen waren entsprechend. Nach drei Wochen reiste er ab. „Jetzt“, sagt Madsen, „kam er nach zehn Tagen und verkündete: Ich bleibe vier Wochen.“

Die Probleme liegen auf anderen Gebieten. Nicht jeder ist für Höhentrainingslager geeignet. Madsen lässt auch deshalb vor und nach jedem Höhentrainingslager Blut abzapfen, um zu testen, wie viele rote Blutkörperchen gebildet wurden. Britta Steffen, die Weltrekordlerin über 100 Meter Freistil, hat auf den zweiten Sierra-Nevada-Ausflug verzichtet. „Bei ihr haben sich nach dem ersten Trainingslager zu wenig rote Blutkörperchen gebildet“, sagt Madsen. Auch andere Schwimmer blieben deshalb im Februar im Flachland. „Wir müssen auf individuelle Belange Rücksicht nehmen“, sagt der Cheftrainer.

Dass die Konzentration auf die Höhe sowieso eine Gratwanderung ist, gibt Madsen zu. „Das Risiko nimmt zu, wenn man Höhentrainingslager macht. Wenn man kleine Fehler macht, wirkt sich das stärker aus als bei Flachlandtraining.“ Nur Anne Poleska hatte mal wieder Probleme in der Sierra. Aber dafür konnte Madsen nun wirklich nichts. Die Brustspezialistin aus Essen knickte mit dem Fuß um.

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