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Sport: Die Kraft, die’s schafft

Hertha BSC wahrt dank seines großen Selbstbewusstseins die Chance auf die Champions League

Berlin - Was genau in der Halbzeit besprochen worden war, wollte auch am Tag danach niemand verraten. „Es ist unsere Sache, was in der Kabine passiert“, hatte Falko Götz schon am Samstag nach dem mühevollen 3:1 von Hertha BSC gegen den VfL Wolfsburg gesagt. Seine Mannschaft war von den Zuschauern im Olympiastadion mit Pfiffen in die Kabine geschickt worden. Wolfsburg führte 1:0, bei Hertha hatten sich Fehlpässe und verlorene Zweikämpfe abgewechselt. „Ich war mir zur Halbzeit nicht sicher, dass die Mannschaft die Kurve kriegen wird“, sagte Manager Dieter Hoeneß. „Zwei oder drei Spieler hatten einfach zu pomadig gespielt.“ Hertha hatte sich bis dahin ähnlich leblos präsentiert wie bei der Niederlage eine Woche zuvor in Rostock.

Die Fans pfiffen am Samstag wohl auch deshalb, weil ihre Mannschaft in Rostock und in der ersten Halbzeit gegen Wolfsburg nicht mehr das zeigte, was sie die ganze Saison über stark gemacht hat: Ihr großes Selbstbewusstsein. Es liegt nicht fern zu vermuten, dass der Trainer die Spieler in der Halbzeit genau daran erinnert hat. Die Angst der Fans erwies sich schließlich als unbegründet, Hertha gab das Spiel gegen Wolfsburg ebenso wenig verloren wie alle anderen Partien in dieser Saison. Die fünf Niederlagen gegen Hamburg, Bielefeld, zweimal Dortmund und Stuttgart waren alle knapp, der Gegner erzielte immer nur ein Tor mehr als die Berliner. In der Hinserie gegen Bremen und Rostock sowie in der Rückrunde gegen Nürnberg gelang Hertha jeweils in der letzten Spielminute noch ein Tor, das zum Sieg oder Unentschieden reichte. „Am Samstag haben wir wieder gezeigt, dass die Moral innerhalb des Teams stimmt“, sagte Kapitän Arne Friedrich. „Unsere Reaktion hat gezeigt, dass wir alle zusammenhalten.“

Gegen Wolfsburg waren die Einwechselspieler Artur Wichniarek, Andreas Neuendorf und Alexander Madlung maßgeblich daran beteiligt, dass Hertha den Rückstand noch in einen Sieg verwandelte. „Es ist keine Phrase, dass man über eine Saison den ganzen Kader braucht“, sagte Falko Götz. „Bei uns ist der Respekt für die so genannten Ergänzungsspieler sehr groß.“ Der Konkurrenzkampf in der Mannschaft befördere diesen Respekt zusätzlich.

Der Konkurrenzkampf steigert offensichtlich das stabile Selbstbewusstsein innerhalb des Teams, anstatt den Befindlichkeiten bei den nicht eingesetzten Spielern zu schaden. Die eingewechselten Spieler rissen am Samstag ihre Mannschaftskollegen mit, die sich erheblich steigerten. „Uns half sowieso nur noch, volles Risiko zu gehen“ sagte Götz. „Und dann war es nur eine Frage der Zeit, wann wir unsere Chancen bekommen.“

Der konstante Glaube, bis zur letzten Minute noch etwas erreichen zu können, ist auch daraus erwachsen, dass die Berliner in vielen Spielen in einer späten Phase noch offensiver werden konnten, ohne große Gefahr zu laufen, ausgekontert zu werden. „Gegen Wolfsburg war es ganz wichtig, dass unsere Verteidigung gut stand und keine Gegenangriffe zugelassen hat“, sagte Falko Götz. Mit 31 Gegentreffern hat Hertha die zweitbeste Abwehr der Bundesliga, nur der FC Bayern hat zwei Tore weniger kassiert. Auch dank dieser Grundlage gelang es den Berlinern gegen Wolfsburg, eine realistische Chance auf den dritten Tabellenplatz und die Qualifikation zur Champions League zu behalten. „Wenn wir auf Dauer zu den Top-Mannschaften gehören wollen, müssen wir aber 90 Minuten gut spielen und nicht erst in der zweiten Halbzeit“, sagte Dick van Burik. Doch auch für den Abwehrspieler war noch wichtiger, dass die Mannschaft in einer schwierigen Situation die Nerven bewahrt und auf ihre Stärke vertraut hatte.

„Von diesem Spiel bleibt die positive Erkenntnis, dass sich die Mannschaft aus eigener Kraft aus dem Schlamassel befreit hat“, sagte Dieter Hoeneß. „Das kann in den letzten beiden Spielen noch wichtig sein.“ Den dritten oder sogar den zweiten Platz kann Hertha nicht mehr aus eigener Kraft erreichen, wenn Schalke 04 eines und der VfB Stuttgart die beiden letzten Saisonspiele gewinnen. Aber darüber wird bei Hertha offiziell genauso wenig geredet wie über die Halbzeitbesprechung vom Samstag.

Es gehört zum selbstbewussten Selbstverständnis der Berliner, gar nicht erst über die verbleibenden Spiele der Konkurrenten und deren Ausgang zu spekulieren. „Ich beschäftige mich nicht mit anderen Mannschaften“, sagt Falko Götz. „Wir schauen nur auf uns.“

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