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Die Lage bei den Bayern: Jürgen Klinsmann: Nach dem Schmerz kommt die Wut

Bayern Münchens Trainer Jürgen Klinsmann kündigt nach dem 3:3 gegen Bochum harte Wochen für seine Profis an.

Die Taktik kennt man aus seiner Zeit als Nationaltrainer: Wenn Jürgen Klinsmann in der Öffentlichkeit spricht, spielt er konsequent Verbal-Catenaccio. Sein Seelenleben verbirgt er hinter einem undurchdringlichen Gestrüpp von Allgemeinplätzen und Parolen. Vor allem in kritischen Situationen klingen seine Aussagen starr und leblos - selbst wenn er zumindest dem Vokabular nach über seine Gefühle spricht. "Das schmerzt, keine Frage", sagt Klinsmann dann, oder er sagt: "Klar, das tut weh." So sprach der Trainer des FC Bayern München vor zwei Wochen über das 2:5 gegen Bremen genauso wie an diesem Wochenende über das 3:3 gegen Bochum. Und deshalb weiß man nicht so recht, was davon zu halten ist, wenn Klinsmann auf die Frage antwortet, was er denn zu den "Klinsmann raus"-Rufen sage, die am Samstag durch das Stadion schallten: "Das tut natürlich weh."

Danach hatte Klinsmann eine "unruhige Nacht" und verspürte am Sonntag "auch eine gewisse Wut". Er kündigte harte Wochen für die Profis des FC Bayern an. "Es wird mit Sicherheit ein bisschen Leben reinkommen", sagte der Trainer, er wolle gegen den "Schuss Überheblichkeit" in der Mannschaft vorgehen. Klinsmann gab immerhin zu, die Rufe der Fans gehört zu haben. Das unterschied ihn von seinen zwei Vorgesetzten Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge, die sich ahnungslos gaben. Vorstandschef Rummenigge beendete gar das Gespräch mit den Journalisten abrupt, als die Rufe zur Sprache kamen. Souverän ist anders. Die beiden stecken in einer schwierigen Situation. Sie haben Klinsmann und dessen reformerischen Elan so laut schmetternd in den Himmel gelobt, dass sie damit gewaltige sportliche Erwartungen provoziert haben. Und sie haben Klinsmann so viele Zugeständnisse gemacht, dass auch ihre eigene Position so eng an den Erfolg des Trainers gekoppelt ist wie nie zuvor.

Rummenigge: Wir haben totales Vertrauen

Wenn Klinsmann scheitert, ist das automatisch auch ein Scheitern von Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge. Deshalb verkneifen die beiden sich Ansätze von Mäkelei am Trainer (Das hätte sich so mancher von Klinsmanns Vorgängern wohl auch gewünscht). "Wir haben totale Geduld, wir haben totales Vertrauen zu Jürgen. Mehr kann ich dazu auch nicht sagen", gab Rummenigge zu Protokoll. Und als Uli Hoeneß nach seiner 100-Tage-Bilanz von Klinsmanns Arbeit gefragt wurde, wand er sich mit einem Kniff aus der Klemme: "Zur Bilanz sage ich etwas am 30. Juni. Da ist unser Geschäftsjahr zu Ende."

Die 100-Tage-Schonfrist, die Politikern stets gewährt wird, ist für Klinsmann theoretisch am Mittwoch zu Ende. Praktisch hatte er sie natürlich nie. Statistisch ist Klinsmanns Bilanz miserabel: Nach sieben Spieltagen gilt eine Tabelle gemeinhin als aussagekräftig. Der FC Bayern hängt mit nur zwei Siegen im Mittelmaß fest. 13 Tore hat der Rekordmeister schon kassiert (acht davon in den vergangenen zwei Heimspielen), in der gesamten vergangenen Saison waren es 21. Schlechter standen die Bayern in dieser Saisonphase zuletzt vor 31 Jahren da. Damals wurden sie am Ende Zwölfter. Die Vorwürfe gegen Klinsmanns Arbeit wachsen von Woche zu Woche. Und auch das Spiel gegen Bochum hat wieder neuen Stoff geliefert.

Klinsmann in Erklärungsnot

Die Bayern gingen früh durch Daniel van Buyten in Führung. Nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich durch Sinan Kaloglu spielten sie sich Chance um Chance heraus. Zwei davon nutzte Zé Roberto zum 2:1 und zum 3:1. Den Rest vergab Luca Toni. Dann aber griff Klinsmann wieder einmal daneben: In der 78. Minute nahm er ohne Not den mit Abstand besten Bayernspieler Zé Roberto vom Platz, der neben seinen Treffern auch das defensive Mittelfeld der Bayern entscheidend stabilisierte. Der seit Wochen grotesk schlechte Luca Toni dagegen durfte weiterspielen. Kurz darauf schossen Christoph Dabrowski und Dennis Grote die Tore zum Ausgleich. Und plötzlich war Klinsmann wieder in Erklärungsnot: "Mit den Auswechslungen hat sich taktisch nichts geändert. Jeder hatte seine Aufgabe, offensiv und defensiv." Nur funktionierte die Aufgabenverteilung bei den überheblichen Bayern eben nicht mehr - und Klinsmanns Gespür für die Situation steht einmal mehr in Frage.

Gegen die Zweifel kann er jetzt zwei Wochen lang nichts tun. Es ist Länderspielpause. Der Höhepunkt der nächsten Woche steht am Donnerstag an, ein Testspiel gegen den Zweitligisten FC Ingolstadt. Das klingt nach Saisonvorbereitung und ist vielleicht gar nicht so verkehrt: Klinsmann braucht einen Neustart.

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