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Sport: Die Last des Zweiten

Flensburgs Handballer wehren sich gegen das Loser-Image

Berlin. Sören Stryger ist ein besonnener Mann. Wesentlich besonnener als sein dänischer Landsmann Joachim Boldsen, der schon mal sagt, er „hasse einige deutsche Spieler“. Doch am Sonntag, in der Magdeburger Bördelandhalle, verlor auch Stryger die Fassung. Von einem Gegenspieler hart attackiert, wollte er diesem am liebsten an den Kragen und legte sich auch mit den Schiedsrichtern an. „Bei der Attacke war der gegnerische Ellenbogen mit im Spiel“, rechtfertigte Stryger später sein Ausrasten.

Sein Trainer Kent-Harry Andersson sprach davon, dass bei einigen Spielern die Nerven blank lagen, einige gar Angst gehabt hätten. All das trug dazu bei, dass der Bundesliga-Tabellenführer trotz des komfortablen Zehn- Tore-Vorsprungs fast noch das Finale der Champions League verpasst hätte. Nun haben die Handballer aus dem hohen Norden also die Chance, im europäischen Meisterwettbewerb, in der Bundesliga und im DHB-Pokal die Titel zu holen. Skepsis ist dennoch angebracht.

Dem Klub, 1990 aus der Fusion des Handewitter SV und des TSB Flensburg entstanden und zwei Jahre später in die höchste Klasse aufgestiegen, hängt besonders auf nationaler Ebene das Loser-Image an. Während der norddeutsche Rivale THW Kiel in den letzten sechs Jahren viermal den deutschen Meistertitel holte, wurden die Flensburger dreimal Zweiter, verloren dreimal das Pokalfinale. „Ganz so schlecht können wir aber nicht sein. Im Vorjahr haben wir schließlich den DHB-Pokal gewonnen“, weist Stryger, der bei der letzten Europameisterschaft in Slowenien die imponierende Trefferquote von 87 Prozent aufwies, auf das bislang einzige Erfolgserlebnis in deutschen Landen hin.

Es könnte für die nächste Zeit das einzige bleiben. In der Bundesliga hat Kiel das Feld von hinten aufgerollt und wird als Topfavorit angesehen. Auch von Flensburgs Trainer Andersson: „Die gewinnen alles ganz klar und haben das leichteste Restprogramm aller Titelanwärter. Die Kieler sind stärker als Magdeburg.“ Als jene Magdeburger also, die Flensburg jetzt aus schier aussichtsloser Position fast noch überrumpelt hätten.

Und die beim Final Four Anfang Mai in der Color Line Arena auf Revanche sinnen. Dabei sind dann auch Kiel und der HSV Hamburg, als Gastgeber Mitfavorit. „Das wird ganz schwer“, weiß Boldsen. Vielleicht zu schwer. Besonders für eine Mannschaft, die gerade in Magdeburg gezeigt hat, wie anfällig sie sein kann, wenn die Stimmung so feindselig ist wie jetzt in der Bördelandhalle. Und was sie im Auswärts-Finalspiel der Champions League in Celje erwartet, können sich Stryger, Boldsen und Co. leicht ausmalen. Sie haben bei der EM in Slowenien am eigenen Leib erfahren, wie die dortigen Fans eine Halle in ein Tollhaus verwandeln können.

Es könnte also dabei bleiben, dass die SG Flensburg-Handewitt auch in diesem Jahr nicht über die Rolle des ewigen Zweiten hinauskommt. Einen kleinen Triumph konnte sie allerdings gerade auskosten: Der kroatische Nationalspieler Blazenko Lackovic spielt in der kommenden Saison in Flensburg. Obwohl er Kiel schon eine Zusage bis 2006 gegeben hatte. Wenigstens da waren die Flensburger Erste.

Klaus Rocca

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