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Sport: Die Leipziger Linkshänderin beeindruckt bei der Weltmeisterschaft Dänen und Norweger

Den skandinavischen Torjubel hat Grit Jurack schon perfekt drauf. Nach jedem Treffer drehen die Spielerinnen aus den Handball-Hochburgen Norwegen und Dänemark mit erhobenem Arm einen Bogen durch den heiligen Kreis des Gegners.

Den skandinavischen Torjubel hat Grit Jurack schon perfekt drauf. Nach jedem Treffer drehen die Spielerinnen aus den Handball-Hochburgen Norwegen und Dänemark mit erhobenem Arm einen Bogen durch den heiligen Kreis des Gegners. Seht her, so wird es gemacht, wollen sie damit ausdrücken. Derzeit schauen die "Erfinderinnen" dieser Selbstbewusstseins-Geste aber mehr auf die mitteleuropäische Nachahmerin Grit Jurack. Die Leipzigerin hat bei der gegenwärtig stattfindenden Weltmeisterschaft in Norwegen und Dänemark den Gastgebern schon so viele Jubel-Bögen gedreht, dass den gegnerischen Torhüterinnen allein davon schwindlig geworden ist. 57 Bälle knallte die 22-jährige Linkshänderin in den ersten sechs Spielen in das sechs Quadratmeter kleine Gehäuse und führt damit die WM-Torschützenliste vor den heutigen Viertelfinals mit großem Vorsprung an.

Solch treffsichere Urgewalt weckt natürlich auch Sehnsüchte in einem Handball-Eldorado wie Dänemark. Grit Jurack ist nach Berichten dänischer Zeitungen die erste deutsche Spielerin, die mit ihrem Sport richtig Kasse machen könnte. Spekuliert wird über gewaltige Summen, etwa über zwei Millionen Kronen, was einer halben Million Mark gleichkommt. Bei diesen Größenordnungen dreht die einstige Kugelstoßerin kommentarlos, aber lachend ab. "Ich habe einen Vertrag bis 2002 in Leipzig." Das weiß auch Ulrik Wilbek. Der bekannteste Sportlehrer Dänemarks, der die Handballfrauen seines Landes in den vergangenen drei Jahren zu Gold bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften führte, ist jetzt Vereinstrainer bei der Spitzenmannschaft Viborg HK. Und eben der dänische Meister versucht die WM-beherrschende Deutsche aus der Messestadt loszueisen.

"Es stimmt, dass wir Grit Jurack und dem Verein in Leipzig das beste Angebot gemacht haben, das je eine Handballerin für Dänemark bekommen hat. Ich finde das auch richtig. Erstens soll sie ihren Vertrag in der Heimat auflösen. Und zweitens ist sie die derzeit beste Linkshänderin auf der Welt." Der semmelblonde Wilbek, der im Sommer um ein Haar Bürgermeister von Viborg geworden wäre, schwärmt in den höchsten Tönen von den Vorzügen der Leipzigerin. "Ausserdem ist Grit noch so jung, dass sie sich weiterentwickelt. Das macht sie noch wertvoller. Aber was die Summe betrifft: "Sehen Sie, hier sind über 200 dänische Journalisten. Die müssen ihren Zeitungen auch jeden Tag was Neues liefern ...", flüchtet er ins Orakel, genau wie sein Objekt der Begierde.

Grit Jurack hat bei dem für eine deutsche Handballerin ungewöhnlichen Wirbel ihr kindliches Gemüt nicht verloren. "Ich bin froh, dass ich wieder treffe. In den ersten beiden Spielen bin ich doch fast verrückt geworden", bewahrt sie Realitätssinn. Da hielten sich "Fahrkarten" und Treffer nicht einmal die Waage und Bundestrainer Lothar Doering zog die erfahrene Bianca Urbanke sogar für die Startformation vor. Doch im heutigen Viertelfinalspiel gegen Österreich könnte sie ihren Marktwert wieder erhöhen.

Grit Jurack wird an den Treffern gemessen. In ihren 92 Länderspielen sind es schon 462. Wann sie als zweite Deutsche nach der Frankfurterin Katrin Mietzner mehr als 1000 Tore wirft, ist wohl nur eine Frage der Zeit. Dass die gebürtige Leipzigerin dann noch in der Bundesliga spielt, dürfte dagegen eher unwahrscheinlich sein.

Hans Moritz

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