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Sport: Die letzte Runde

Imola bereitet sich auf den Abschied von der Formel 1 vor

Imola. Pioli San Luca hat nicht wirklich Stress im Moment. Er lehnt entspannt an einem Metallpfeiler seines Verkaufsstandes, die Sonne strahlt auf sein Gesicht. Ob San Luca noch einmal Stress bekommt hier in Imola, hängt von den Formel-1-Fans ab. Sie müssen die Ferrari-T-Shirts und Mercedes-McLaren-Baseballkappen kaufen, die San Luca anbietet. Er steht mit seinen Devotionalien direkt neben dem Eingang zur Rivazza-Kurve an der Grand-Prix-Strecke in Imola, eigentlich ein günstiger Standort. Doch er hat ein Problem: seine Preise. Ein T-Shirt mit Ferrari-Logo kostet 40 Euro, so viel zahlen nicht mehr viele Besucher. Der 25-jährige San Luca hat an diesem Vormittag noch keines verkauft. Und die Chancen, dass er in Imola nie mehr eines verkaufen wird, sind ziemlich groß.

Der Grand Prix von San Marino findet 2004 vermutlich zum letzten Mal statt. Formel-1-Chef Bernie Ecclestone hat bereits erklärt, dass er die Traditionsstrecke am liebsten aus dem Rennkalender streichen will. Der Vertrag mit der Formel 1 läuft in diesem Jahr aus, eine Verlängerung wäre eine Überraschung. „In Imola herrscht eine große Frustration“, sagt der italienische Motorsportjournalist Gianpiero Moscato. Wirtschaftsexperten haben inzwischen durchgerechnet, was das Ende der Formel-1-Geschichte die Stadt Imola jährlich kosten würde. Sie kamen auf 20 Millionen Dollar. Hotels, Restaurants, Bars, Einzelhändler – sie alle leben von der High-Tech-Branche.

„Wir wollen alles tun, damit der Grand Prix in Imola bleibt“, sagt Franca Bellini. Die 48-Jährige sitzt in einem Café in der Innenstadt von Imola. Sie ist hier aufgewachsen, mit dem Rennsport und den in ihre Heimat pilgernden Fans. „Motorsport ist in Imola beliebter als Fußball“, sagt Moscato, der Journalist. Schließlich liegt die Stadt quasi im Herzen der italienischen Motorsportgeschichte. Ducati und Lamborghini (Bologna), Ferrari (Maranello), Bugatti (Modena) – all diese Traditionsfirmen haben ihren Sitz in der Region. Und Imola liegt in der Mitte. Am 22. März 1950 wurde der Grundstein für den Kurs gelegt, am 25. April 1954 fand das erste Rennen statt, ein Grand Prix für 125- und 500-ccm-Motorräder. Neun Jahre später dröhnten zum ersten Mal Formel-1-Boliden über den Kurs.

Doch Traditionen interessieren Formel-1-Chef Bernie Ecclestone nur, solange mit ihr Geld zu verdienen sind. In Imola gehen die Zuschauerzahlen jedoch seit drei Jahren massiv zurück. Im Jahr 2000 pilgerten noch 192 592 Fans zur Strecke, so viele wie noch nie. Im vergangenen Jahr dann gab es den Tiefpunkt: 82 000 Fans, so wenige wie seit 1981 nicht mehr, wollten das Rennen sehen. Zwar fand das Rennen am Osterwochenende statt, keinem guten Zeitpunkt für ein Autorennen. Doch entscheidender ist: Das Spektakel ist zu teuer. „Ein Rennwochenende mit der Familie kostet inzwischen so viel wie eine Woche Urlaub auf Kuba“, klagt sogar Ferrari-Chef Luca di Montezemolo.

Verstärkt wird die Misere noch durch Fehler der lokalen Entscheidungsträger in Imola. 25 Millionen Euro müssten in neue Tribünen, neue Parkplätze, in die Modernisierung der Rennstrecke und ein neues Medical Center investiert werden. Doch die Gesellschafter des Grand-Prix-Veranstalters Sagis, dem der Kurs gehört, können sich nicht einigen, wer die Kosten übernehmen soll. An Sagis sind der Staat San Marino, die Stadt Imola und die Sektion Bologna des italienischen Automobilklubs beteiligt. Zudem hat Ecclestone niemanden, mit dem er im Moment rechtsverbindlich verhandeln kann. Dafür sorgten empörte Sagis-Funktionäre. Die zogen gegen die eigenen Vorstandswahlen von 2000 vor Gericht. Der wiedergewählte Präsident Federico Bendinelli sei nicht rechtsgültig in seinem Amt bestätigt worden, argumentierten die Kritiker. Ein Gericht gab ihnen schließlich Recht – dummerweise drei Wochen vor dem Grand Prix 2004 von San Marino. Nun sind die Wahlen ungültig, und Bendinelli hat zwar einen Titel, aber keine Macht. Erst im Juni wird neu gewählt. Dann müssen ganz schnell Reformen eingeleitet werden. Denn im September wird die endgültige Entscheidung über den Rennkalender 2005 fallen.

Imolas Zukunft ist längst auf höchster politischer Ebene ein Thema. Sagis hat die Regierung in Rom um Hilfe gebeten. Und vor zehn Tagen erklärte Verkehrsminister Pietro Lunardi: „Wir wollen alles tun, damit Imola den Grand Prix behält.“ Ob die Hilfe so weit geht, dass die Regierung auch die nötigen Investitionen in Höhe von 25 Millionen Euro übernimmt, hat er nicht gesagt.

Immerhin, der Wille zum Weitermachen ist in Imola groß. Selbst die örtlichen Grünen wehren sich nicht gegen den Grand Prix. Sie haben gerade gelernt, wie wichtig der Motorsport für die Stadt ist. 1994 hatten sie noch durchgesetzt, dass Tests nur noch zu bestimmten Zeiten stattfinden dürfen. Zu viel Lärm in der Stadt, zu viel Verkehr, waren die Argumente. Aber nicht allzu lange. Seit 2003 darf in Imola wieder umfangreich getestet werden. Die Bürger hatten erklärt, sie könnten auf die Einnahmen nicht verzichten.

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