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Sport: Die letzten Versuche

Jan Ullrich attackiert Lance Armstrong auf der finalen Pyrenäen-Etappe – und scheitert erneut

Erstaunlich entspannt ging es gestern für Lance Armstrong den letzten Berg der 16. Etappe der Tour de France hinunter. Der zu diesem Zeitpunkt neben Jan Ullrich fahrende US-Amerikaner fand sogar Zeit für ein Schwätzchen mit seinem deutschen Widersacher. Warum auch nicht? Auf der letzten Etappe durch die Pyrenäen von Mourenx nach Pau hatte Jan Ullrich zwar viel versucht, aber den Träger des Gelben Trikots nicht abschütteln können. Es waren wohl die letzten ernsthaften Versuche des Deutschen, an seinen fast sechs Minuten Rückstand auf Armstrong im Gesamtklassement noch etwas zu ändern. Verletzt sich Armstrong nicht, wird er die Frankreich-Rundfahrt am Sonntag zum siebten Mal gewinnen. Daran ändert wohl auch der gestrige Tagessieger Oscar Pereiro nichts. Der Spanier lag vor der Etappe im Gesamtklassement fast 20 Minuten hinter Armstrong, der gestern 3:24 Minuten nach dem Sieger mit Ullrich und dem Hauptfeld ins Ziel kam. In der Gesamtwertung blieb somit alles beim Alten: Armstrong führt mit 2:46 Minuten vor dem Italiener Ivan Basso. Ullrich bleibt auf Rang vier, 5:58 Minuten hinter Armstrong.

Die letzte Pyrenäen-Etappe bot nach 108 Kilometern mit 1700 Metern am Col d’Aubisque einen Anstieg der höchsten Kategorie. Doch schon zuvor hatte sich eine Gruppe von elf Ausreißern vom Hauptfeld abgesetzt. Am Col d’Aubisque relativierte sich dann vieles, auch ein unruhiger Ausflug von Alexander Winokurow fand am Anstieg ein Ende. Der Australier Cadel Evans (Lotto) erreichte als Erster den Gipfel, die Gruppe der elf Fahrer war längst zerfallen. Hinter Evans ging es aufgeregt zu: Ullrich versuchte Armstrong davonzufahren. Mehrmals sogar. Doch alle Ausreißversuche des Deutschen waren schon nach wenigen Metern gescheitert. Auf der Abfahrt vom letzten großen Berg in den Pyrenäen radelte Armstrong, begleitet von seinen auch bei dieser Etappe chancenlosen Widersachern Basso und Ullrich, locker dem Ziel in Pau entgegen. Vor dieser Gruppe fuhr Evans. Der Australier, zuvor zwei Jahre bei T-Mobile engagiert, aber für die Tour vom deutschen Team nie nominiert, bekam auf der Abfahrt Gesellschaft. Die Spanier Oscar Pereiro (Phonak) und Xavier Zandio (Illes Balears) und der Italiener Eddy Mazzoleni (Lampre) schlossen zu dem Führenden auf. Das Quartett steuerte dem Ziel in Pau entgegen, im Sprint siegte Pereiro knapp vor Mazzoleni.

Das Feld kam wenig später an. Unter den Fahrern war auch Andreas Klöden. Der Profi von T-Mobile war auf der Etappe gestürzt und musste ins Krankenhaus. Dort stellte sich heraus, dass sich Klöden das Kahnbein – das ist ein kleiner Knochen im Handgelenk – gebrochen hatte. Bei einem solchen Bruch wird im Normalfall der Arm eingegipst. Trotzdem will T-Mobile erst heute entscheiden, ob die Tour für Andreas Klöden beendet ist.

Es war also kein guter Tag für T-Mobile. Klöden verletzt, Ullrichs Bemühungen zu harmlos. Team-Manager Olaf Ludwig sagte über seinen Kapitän, dass der eben kein Typ sei, der in Bergen „mal eben 100 Meter wegsprintet“. Ullrich könne nur durch ein stetig hohes Tempo die Konkurrenz müde machen. Lance Armstrong wirkte gestern keineswegs ermüdet. Trotzdem gab sich Ullrich gestern trotzig. „Die hohen Berge liegen zwar hinter uns“, sagte er. „Aber die kommenden Etappen sind immer noch schwer. Ich probiere es weiter.“

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Hartmut Scherzer[Pau]

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