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Sport: Die neue Dimension

In den Prozessakten von Thomas Springstein taucht erstmals Gendoping auf

Berlin - Befürchtungen hat es schon viele gegeben: Die Fortschritte in der Genforschung könnten auch zur Leistungsmanipulation im Sport missbraucht werden. Gendoping ist schwer bis gar nicht nachweisbar. Sind Substanzen zur Veränderung des menschlichen Erbguts einmal in Umlauf, hätte die Dopingbekämpfung mit einem Schlag nur noch geringe Erfolgschancen. Diese Befürchtungen haben jetzt schriftlich Nahrung bekommen. In einer E-Mail hat der ehemalige Leichtathletiktrainer Thomas Springstein das Mittel „Repoxygen“ erwähnt.

Die E-Mail wurde vor dem Amtsgericht Magdeburg im derzeit laufenden Prozess gegen Springstein wegen Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz verlesen und jetzt von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ dokumentiert. Die Zeitung zitiert außerdem den Dopingexperten Professor Werner Franke mit den Worten: „Es geht ganz konkret um transgenes Doping. Das ist nicht nur Doping, das ist kriminell. Hier geht es um Absprache zur Körperverletzung.“

Repoxygen ist noch nicht auf dem Markt erhältlich, steht aber schon auf der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur. Es wurde von der britischen Firma Oxford Biomedica entwickelt, um Patienten mit Anämie, also einem Mangel an roten Blutkörperchen, zu behandeln. Wenn es gespritzt wird, regt es die körpereigene Produktion von Erythropoietin (Epo) an. Epo stimuliert die Produktion von roten Blutkörperchen, der Körper kann mehr Sauerstoff aufnehmen, die Ausdauerleistung steigt dadurch. Körpereigenes Epo ist im Gegensatz zum extern zugeführten nicht nachweisbar. Der Betrug des Athleten könnte nur aufgedeckt werden, wenn er der Einnahme von Repoxygen überführt wird. Bislang gibt es dafür allerdings noch kein Verfahren.

Die Risiken des Gendopings sind auch für Experten noch nicht absehbar. „Es ist nicht klar, welche Menge an Epo der Körper ausschüttet. Es kann sein, dass das Blut zu dick wird und verklumpt. Das kann Thrombosen hervorrufen und sogar den Tod“, sagte Roland Augustin, der Geschäftsführer der Nationalen-Anti-Doping-Agentur, dem Tagesspiegel. Die Entwicklungen des Gendopings beobachtet er mit größter Sorge. „Viele Präparate sind schon auf dem Niveau von Tierversuchen mit Mäusen.“

Die Staatsanwaltschaft Magdeburg soll bei einer Durchsuchung von Springsteins Haus im September 2004 neben den E-Mails insgesamt zwanzig Substanzen sichergesellt haben. Bei einer davon handelt es sich um das Anabolikum Andriol, ein Dutzend der Substanzen ist angeblich noch nicht identifiziert.

Springstein bestreitet alle Vorwürfe und behauptet, die Dopingmittel seien für den Eigenbedarf bestimmt gewesen. Sein Rechtsanwalt Peter-Michael Diestel sieht nach den jüngsten Veröffentlichungen keine neue Dimension erreicht. Auf Nachfrage sagte er: „Thomas Springstein hat sich zweifelsfrei mit Doping wissenschaftlich beschäftigt. Aber die wissenschaftliche Beschäftigung mit Doping ist nicht strafbar.“

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