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Sport: Die neue Luftnummer

Irving Saladino ist vor einer Woche 8,73 Meter gesprungen. Beim Istaf ist der Mann aus Panama nicht nur eine Attraktion, er redet auch vom Weltrekord

Berlin - Irving Saladino hängt im Sessel in der Hotel-Lobby, einen Strohhut auf dem rechten Oberschenkel, auf der Brust ein Kreuz, das an einer Halskette baumelt. Er ist müde, er ist gerade in Berlin angekommen, er möchte schlafen. Aber einmal wird doch lebendig. Da macht er mit dem rechten Zeige- und Mittelfinger Laufbewegungen, es ist der Moment, als der Weitspringer Saladino von seiner neuen Technik redet. Er macht in der Flugphase jetzt dreieinhalb statt bisher zweieinhalb Schritte. Und er redet über die Technik, als wäre sie ein kleines Wunderwerk.

Der Unterschied ist wahrscheinlich hauptsächlich im Kopf zu spüren, aber mit dem Glauben an die neue Technik ist er gerade in Hengelo 8,73 Meter gesprungen, 16 Zentimeter weiter als bei seinem WM-Sieg 2007 und so weit wie seit 14 Jahren niemand mehr in der Welt. Er ist einer der Top-Stars des Istaf, des größten Leichtathletik-Meetings in Deutschland (Sonntag, 12 Uhr 45, Olympiastadion), und natürlich soll er jetzt über den Weltrekord reden, die 8,95 Meter von Mike Powell (USA). „Bei dem Versuch über 8,73 Metern war noch einiges zu verbessern“, sagt Saladino. „Und in Berlin sind sehr starke Konkurrenten, wir pushen uns gegenseitig, da könnte man auf einen Weltrekord zusteuern.“

Das ist eine Mischung aus echter Überzeugung und viel Sinn für PR, aber in Panama werden sie diesen Satz als die reine Wahrheit aufnehmen. „In Panama“, sagt Saladino, „wird mir viel Verantwortung zugewiesen.“ In Panama erwarten sie jetzt viele große Sprünge von ihm, „aber die Fans wissen nicht, was bei einem Wettkampf alles mitspielt“. Saladino ist in Panama geboren, er ist dort jetzt eine ziemlich bekannte Nummer. Vor ihm hat es „dort Leichtathletik nicht gegeben“, da überstrahlte Baseball alles. „Jetzt“, sagt der 25-Jährige, „beginnt man sich dafür zu interessieren.“

Saladino hatte selbstverständlich auch Baseball gespielt, aber weil sein Bruder Leichtathlet war, wurde er auch einer. Ein Trainer erkannte sein Talent, bei seinem ersten richtigen Wettbewerb in Guatemala City sprang er, unterstützt durch die Höhenluft, gleich 7,51 Meter. Die weitere Entwicklung verdankt Saladino seinem Können und einem Stipendium des Welt-Leichtathletikverbands IAAF. Die IAAF bezahlt dem Springer seit 2004 Unterkunft, Verpflegung und das Training in einem Leistungszentrum in Sao Paulo. Seither wohnt Saladino in Brasilien. 2004 landete er bereits bei 8,12 Metern. Und jetzt 8,73 Meter.

Saladino war „sehr überrascht“ von der Weite, aber andererseits: „Es ging so leicht.“ Nur der Wind störte, er sorgte dafür, dass der 25-Jährige zwei ungültige Versuche hatte. Diese Sprünge, deutet er an, die waren sehr weit. Und dann sagt er: „Ich werde bei jedem Wetter versuchen, den Weltrekord zu verbessern.“

Saladino hat seit längerem keine Probleme mit solchen Sätzen. Bei der WM 2007 sicherte er sich in einem erbitterten Duell mit dem Italiener Andrew Howe erst im letzten Versuch die Goldmedaille. Er war nicht einfach bloß angelaufen: „Ich habe mir selbst vor dem Versuch gesagt, du bist der Beste in der Welt, also hole Dir die Goldmedaille. Und das ist mir gelungen.“ Solche Sätze gehen vielen Stars durch den Kopf, es ist der ultimative Motivationsschub, aber nicht viele erzählen davon auch noch.

Berlin ist die erste Station der Golden-League-Serie, Saladino will alle sechs Meetings gewinnen, dann hätte er den Jackpot oder wenigstens einen Anteil daran. Vor zwei Jahren fehlte ihm ein Sieg für diesen Triumph. Am Sonntag wird er nun erst mal alles in seinen ersten Versuch legen. „Wenn der top ist, lehne ich mich zurück und beobachte alles.“

Und zu Hause, in Panama, werden der Vater, ein Elektriker, und die Mutter, eine Lehrerin, mitfiebern. Sie haben viel in den Sport des Sohns investiert, „ihnen möchte ich sehr viel zurückgeben“, sagt Saladino. Die möchten bloß nicht so viel, die sind bescheiden. „Ich habe genug Geld verdient, um ihnen ein Haus bauen zu können“, sagt der Sohn. „Aber die sind dort zufrieden, wo sie sind.“

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