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Sensations-Weltmeister. David Storl, der überraschend die Goldmedaille im Kugelstoßen gewonnen hat, warnt vor übertriebenen Erwartungen an seine Leistung beim Istaf. Foto: dpa

© dapd

Sport: Die neue Wurf- und Fallhöhe

Zum größten Problem von Kugelstoß-Weltmeister Storl könnte der gestiegene Erwartungsdruck werden

Berlin - Wenn David Storl in der Nacht zum Donnerstag, als er in seinem Hotelzimmer war, nicht mehr Videotext geklickt hat, dann hat er sich einiges erspart.

Wenn er geklickt hat, dann weiß er jetzt, dass ein paar Beobachter ungerecht mit ihm umgehen.

„Storl enttäuscht in Zürich“, stand im Videotext, und im Grunde genommen ist das eine Frechheit. David Storl aus Chemnitz hatte im Züricher Hauptbahnhof 21,33 Meter gestoßen. Den haben sie als spektakulären Wettkampfort speziell fürs Kugelstoßen genommen, auch die Organisatoren des legendären Leichtathletik-Meetings im Letzigrund gehen neue Wege. Storl also hat 21,33 Meter gestoßen, damit ist er auf Platz fünf gelandet.

21,33 Meter sind für einen 21-Jährigen, der erst vor Wochen zum ersten Mal die 21-Meter-Marke übertroffen hatte, eine ausgezeichnete Leistung. Vor allem: Storl wuchtete die Kugel gleich viermal über die 21-Meter-Marke, eine solche Stabilität ist enorm für einen 21-Jährigen.

Aber David Storl ist halt vor einer Woche Weltmeister geworden, der jüngste aller Zeiten im Kugelstoßen. Er hatte seine persönliche Bestleistung um 73 Zentimeter gesteigert. Am Ende hatte er mit 21,78 Meter gewonnen. Eine Sensation. Aber diese 21,78 Meter, dieser WM-Titel, das ist jetzt der Maßstab, nicht mal eine Woche nach der Sensation. Am Sonntag startet Storl in Berlin, beim Istaf (12 Uhr, Olympiastadion). Niemand sollte erwarten, dass er wieder in die Nähe der 21,78 Meter kommt. „Bei der WM war ich auf den Punkt fit“, sagte er gestern in Berlin. „Aber jetzt trainiere ich nur noch einmal am Tag. Ich möchte einfach so weit kommen, dass ich zufrieden bin.“

Die Erwartungshaltung könnte noch zum großen Problem des David Storl werden. Wer erwartet, dass der 21-Jährige nun in allen Wettbewerben die älteren Kollegen in Schach hält und bei Höhepunkten wie computergesteuert Medaillen holt, liegt nicht nur falsch, der setzt Storl auch über Gebühr unter Druck. „Man sollte jetzt nicht davon ausgehen, dass ich immer 21,80 Meter stoße“, brummte er gestern auch.

Die große Stärke von Storl beschreibt Sven Lang, sein langjähriger Trainer, in einem fast liebevoll gemeinten Satz: „Der David ist eigentlich immer noch wie ein großes Kind.“ Der unbekümmerte Storl macht sich nicht viel aus den Lobeshymnen, die ihn seit Jahren begleiten. U-18-, U-20-Weltmeister, U-20-Europameister, Weltrekordler, der als Jugendlicher und Junior alte Bestmarken quasi pulverisierte. Das Lob war immer auch vergiftet. Er transportierte natürlich zugleich auch die Erwartung, dass er diese Erfolgsbilanz – nicht mehr ganz so schnell natürlich – auch bei den Erwachsenen fortsetzt. Aber am Übergang vom Junioren- zum Erwachsenenbereich sind schon viele gescheitert. Und die Athleten, die es geschafft haben, die haben Jahre gebraucht, um nach oben zu kommen. Europameister Ralf Bartels war 27, als er zum ersten Mal über 21 Meter stieß. „Die Schlagzeilen ist David ja seit Jahren gewöhnt, damit kann er umgehen“, sagt Lang.

Nur sind es seit Daegu andere Schlagzeilen. Sie hieven Storl medial auf eine Höhe, aus der man leicht tief purzeln kann. Andererseits: Storl muss sich ja nicht hochstilisieren lassen. Er sieht auch gar nicht so aus, als würde das schnell passieren. Gestern hockte er im Istaf-Athleten-Hotel, die Unterarme lagen auf einem Tisch. Er redete über die WM, die Reaktionen auf den Titel. „Ich hatte ein paar Öffentlichkeitstermine. Das genießt man als Sportler.“ Wie David Storl halt so genießt. Er formulierte den Satz mit einer Leidenschaft, als würde er den Wetterbericht vom letzten Sonntag vorlesen.

Die Perspektiven, die Chancen für Olympia 2012? Ach ja, die Perspektiven. Da macht sich Storl erst mal keinen Kopf. „Hauptsache ich komme gesund durch den Winter.“ Dann könne man alles noch mal überdenken. Platz sechs in London, so wie er das vor der WM gewünscht hatte, ist ja nun nicht mehr ganz so realitätsnah. Aber mehr sagt er dazu nicht.

Er sieht in seinem Leben seit Daegu ohnehin wenig Aufregendes, das er jetzt mitteilen müsste oder auch bloß könnte. Anfragen von Sponsoren? Vielleicht sogar schon ein konkretes Vertragsangebot? Da senkt Storl kurz seinen Kopf und schüttelt ihn behäbig, als wäre ihm allein schon der Gedanke daran lästig. Ist es ja auch. „Darüber“, sagt er, „habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Das macht meine Wettkampfmanagerin. Ich habe Stress genug.“

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