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Spaß beiseite. Rote Karten sorgen nur in All-Star-Spielen für Erheiterung, hier muss Silvio Heinevetter vom Feld.

© dpa/Karmann

Die neuen Regeln im Handball sind umstritten: Sechs Pässe und eine Blaue Karte

Der Welthandball hat ein neues Regelwerk, das bereits bei den Olympischen Spielen in Rio gilt. Die Änderungen sind zum Teil erheblich und werden von vielen kritisiert.

Am Donnerstag hat der Internationale Handball-Verband (IHF) den nationalen Verbänden das neue Regelwerk zugeschickt, das vom 1. Juli 2016 an gilt und einschneidende Veränderungen auf das Spiel haben wird. Wir erklären an dieser Stelle die Reaktionen in der Handball-Szene und die größten Neuerungen.

DER ZEITPUNKT

Grundsätzlich sind die Änderungen mit einigem Argwohn betrachtet worden, nicht nur in Deutschland. Das hängt vor allem mit dem Zeitpunkt zusammen. „Wir waren ziemlich überrascht vom Beschluss des IHF-Rates, weil solche Sachen normalerweise im Jahr nach Olympia eingeführt werden“, sagt Peter Rauchfuß, der Schiedsrichterwart des Deutschen Handball-Bundes (DHB). Nun gilt das neue Regelwerk bereits ab dem 1. Juli 2016 – und damit schon bei den Olympischen Spielen in Rio. „Plötzlich sind wir dermaßen unter Druck, weil wir jetzt nur drei Monate Zeit haben, um alle Trainer, Spieler und Verantwortlichen entsprechend zu instruieren“, sagt Rauchfuß, „und das ist wirklich alles andere als angenehm.“ Auf Rauchfuß und seine Kollegen aus dem Ausland kommt also eine Menge Arbeit innerhalb kürzester Zeit zu. „Es sind ein paar gute Ansätze dabei“, sagt der Schiedsrichterwart, „aber für meine Begriffe ist noch längst nicht alles zu Ende gedacht.“

VERLETZTE SPIELER

Wenn ein verletzter Spieler auf dem Feld behandelt worden ist, muss er künftig drei Angriffe seiner Mannschaft von der Ersatzbank aus verfolgen, bevor er wieder eingreifen darf. Eine entsprechende Regel ist bereits in der Jugend-Bundesliga getestet worden, wobei der Behandelte im konkreten Fall nur einen Angriff aussetzen muss. „Dass die IHF die Regel im Männerbereich auf drei Angriffe ausgeweitet hat, wirkt zunächst vielleicht wie eine Bestrafung“, sagt Peter Rauchfuß, „aber die Spieler sind selbst schuld daran.“ Nach einem – mehr oder minder üblen – Foul auf dem Boden liegen zu bleiben, ist mittlerweile nämlich ein probates taktisches Mittel, um etwa den Konter der gegnerischen Mannschaft zu unterbinden. „Solche Szenen will die IHF vermeiden. Und das kann ich nur befürworten, weil es dem Charakter des Spiels und der Fairness nicht gut tut“, sagt Rauchfuß.

PASSIVES SPIEL

Die Regel für passives Spiel ist seit Jahren eine der umstrittensten. Wann der Schiedsrichter den Arm hebt – das sogenannte passive Vorwarnzeichen – ist oftmals eine sehr subjektive Entscheidung, weil es keine Wurfuhr wie beispielsweise im Basketball gibt. Damit soll nun Schluss sein: In Zukunft darf die angreifende Mannschaft nur noch sechs Pässe spielen, sobald der Schiedsrichter Zeitspiel signalisiert. Sonst landet der Ball direkt beim Gegner. „Für mich ist das nach wie vor keine gute Regel“, sagt Rauchfuß, „das sieht man schon daran, dass die IHF zwei A-4-Seiten braucht, um sie zu erklären.“ Eine weitere Schwäche der Neuerung: Wann die Schiedsrichter den Arm heben und Zeitspiel signalisieren, liegt weiterhin in ihrem Ermessen. Nur das, was danach kommt, eben nicht mehr.

DER ZUSÄTZLICHE FELDSPIELER

Bislang musste der siebte Feldspieler mit einem andersfarbigen Trikot oder einem Torhüter-Leibchen auflaufen, um als solcher klar erkennbar zu sein. Diese Regel ist neuerdings hinfällig. In Zukunft darf der siebte Feldspieler allerdings nicht mehr den Sechs-Meter-Raum betreten und damit auch nicht die Aufgaben des Torhüters wahrnehmen – sonst gibt es einen Siebenmeter. „Das wird den Handball verändern“, sagt DHB-Vizepräsident Bob Hanning. Solche Szenen wie etwa von Andy Schmid in der Bundesliga-Hinrunde wird es künftig also leider nicht mehr geben: Der Rückraumspieler der Rhein-Neckar Löwen war im Duell gegen Flensburg nach einem Ballverlust zurück ins Tor gesprintet und hatte den Konter der Flensburger mit einem spektakulären Reflex vereitelt, der selbst einige Torhüter zum Staunen gebracht haben dürfte.

BLAUE KARTE

Gelbe Karte, Rote Karte, Grüne Karte – soweit ist das alles bekannt. Ab dem 1. Juli kann auf einen Platzverweis nun sogar eine Blaue Karte folgen. Das bedeutet, dass das Schiedsrichter-Gespann einen Zusatzbericht verfasst, auf den eine Entscheidung der Disziplinarkommission und im Normalfall eine Sperre für mindestens ein Spiel folgt.

DIE LETZTEN 30 SEKUNDEN

Wenn ein Abwehrspieler in den letzten 30 Sekunden einen groben Regelverstoß begeht und beispielsweise einen Anwurf oder Freiwurf blockiert, erhält er künftig eine Rote Karte, der Gegner bekommt automatisch einen Siebenmeter zugesprochen. In der Bundesliga ist die Regel in dieser Saison bereits gültig und hat für reichlich Irritationen gesorgt – weil sie fälschlicherweise im Viertelfinale um den DHB-Pokal zwischen den Rhein-Neckar Löwen und der MT Melsungen zur Anwendung gekommen ist, obwohl sie eigentlich nur für die Bundesliga gilt. Das Spiel zwischen beiden Teams ist mittlerweile nachgeholt worden, mit dem gleichen Ausgang: Die Löwen stehen im Halbfinale.

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