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Schon wieder Europa. Dylan Strome von den Blackhawks war erst im Mai in der Slowakei, da hat er mit Kanada das WM-Finale gegen Finnland verloren. 

© Imago Images/Christian Thiel

Die NHL erobert Berlin: Fluch und Segen des Geldes

Die Chicago Blackhawks rauschen durch Berlin. Sie kommen aus einer anderen Eishockeywelt - vor allem finanziell.

6,2 Millionen Euro - so viel lassen sich die Chicago Blackhawks in dieser Saison umgerechnet allein die Dienste von Brandon Saad kosten. Mit dieser Summe lässt sich der Spielerkader der Eisbären finanzieren, für eine Saison. Damit ist das Ungleichgewicht schon beschrieben vor dem Duell zwischen National Hockey League (NHL) und Deutscher Eishockey-Liga (DEL) am Sonntag in der Arena am Ostbahnhof (Beginn 19.30 Uhr, live auf Dazn). Finanziell und zum Teil auch strukturell liegen Welten zwischen beiden Ligen. Sie sind viel größer als die sportlichen Unterschiede. Die nordamerikanische Profiliga ist Fluch und Segen zugleich für das europäische Eishockey. 

Brandon Saad ist der beste Außen der Blackhawks, dennoch haben geschätzt 95 Prozent aller Einwohner Berlins noch nie etwas von ihm gehört. Bei den Spielern sieht das wohl anders aus; es ist ja nicht so, dass sich die Spieler, die am Sonntag in Berlin auf dem Eis stehen, noch nie begegnet wären, obwohl sie in so unterschiedlichen Gewichtsklassen spielen. 

Erst im Mai standen sich drei heutige Eisbären-Profis (Jonas Müller, Marcel Noebels und der aus Nürnberg gekommen Leo Pföderl) und zwei Profis aus Chicago (Kapitän Patrick Kane und Alex de Brincat) gegenüber. Nur hieß das Spiel in der Halle von Kosice: Deutschland gegen die USA. Und es war eine Weltmeisterschaft, es ging um Punkte und bei den Deutschen spielte mit Dominik Kahun auch ein Spieler mit, der in der Saison sein Geld bei den Blackhawks verdiente.

Es lässt sich also vieles an der Veranstaltung am Sonntag entzaubern, zumal die NHL durch Berlin mit exorbitant hohen Ticketpreisen nur so durchrauscht, aus dem Stadion der Eisbären eine Heimspielarena mit eigener Bandenwerbung macht, Albas Basketballer für ein Spiel rauswirft, um dann nach der Promo- und Geldabzocke-Tour am 4. Oktober in Prag gegen die Philadelphia Flyers regulär in die Saison zu starten. 

Aber so einfach ist das natürlich nicht. Die NHL ist eminent wichtig für das Welteishockey, sie ist die beste, stärkste und größte Liga, sie ist das Ziel für junge Riesentalente, sie konzentriert die Weltspitze. Das hebt die Sportart Eishockey in andere Dimensionen als etwa den Handball, der keine so große Liga hat und in Europa, egal in welchem Land, immer nur in der zweiten Reihe unterwegs ist.

Der Markt für die NHL ist über 300 Millionen Einwohner groß, in Kanada ist Eishockey Volkssport. In den USA regional, etwa in Minneapolis, auch. Ansonsten ist Eishockey Event, von Los Angeles bis Miami. Und wenn die US-Amerikaner Event wollen, dann wollen sie auch die weltbesten Spieler. 

Russland versucht, mit der KHL ein Gegengewicht zu basteln - doch es klappt nicht

Da ist Eishockey zwar nur die Nummer vier nach Football, Baseball und Basketball – aber eben eine sehr mächtige Nummer vier. Der Markt ist so groß, dass Europa nicht mithalten kann. Die Eishockeynationen Schweden und Finnland sind zu klein und selbst wenn in Deutschland Eishockey das Maß aller Dinge wäre - auch Deutschland ist zu klein im Vergleich mit Nordamerika. Die Russen versuchen mit der Kontinental Hockey-League (KHL) seit Jahren ein Gleichgewicht zu schaffen, aber das klappt nicht, dafür ist die Infrastruktur einfach zu schlecht.

Aber die NHL ist nicht alles. Finnland wurde im Frühjahr in der Slowakei Weltmeister, quasi ohne NHL-Spieler im Team – gegen Kanada, ausschließlich mit NHL-Spielern angetreten. Dylan Strome von den Chicago Blackhawks war auch darunter, er wird auch heute in Berlin spielen. Auch der Center weiß also, dass ihm in Europa die Fans akustisch mehr um die Ohren hauen als das Sitzplatzpublikum daheim in Nordamerika. Die Stimmung in den Stadien der DEL ist in jedem Fall lauter und ausgelassener als in der NHL.

Zwar rückt die Welt ja medial näher zusammen, aber haptisch fühlt sich der Großteil der deutschen Fans in der DEL wohl eben mehr zu Hause als in der NHL. Iserlohn ist eben doch von Berlin aus gesehen näher als Chicago.

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