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Sport: Die Rede fällt aus

Karl-Heinz Wildmoser sieht ein 0:2 von 1860 München in Stuttgart – in die Kabine traut er sich nicht

Stuttgart. Es ist 16.28 Uhr, als Karl-Heinz Wildmoser in die schwäbische Sonne blinzelt. So, als scheine sie nur für ihn. Langsam schiebt sich sein massiger Körper aus dem Eingang zur Präsidenten-Loge auf die Tribüne des Gottlieb-Daimler-Stadions in Stuttgart. Dutzende Fotografen drücken unten auf der Laufbahn auf ihre Auslöser. Neben ihm ein „Freund“, der ihn aus München vom „Doppelpass“ des DSF über die Autobahn nach Stuttgart fuhr. Er war extra früher gegangen. Zuerst ins Mannschaftshotel seiner Münchner Löwen gegenüber dem Stuttgarter Hauptbahnhof. Da saß er in der Lobby und rauchte im Akkord. „Warum soll ich ned da sei, ich hab nix verbrochen“, sagte er zwischen gierigen Zügen.

Unschuldig schaut der Mann drein, der am Freitag nach drei Tagen aus der Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim gegen eine Kaution von 200 000 Euro entlassen wurde. Sein Sohn Karl-Heinz, den alle „Heinzi“ nennen, sitzt noch in Augsburg ein. Er soll zusammen mit Freunden 2,8 Millionen Euro an Schmiergeldern von der Baufirma Alpine aus Österreich bezogen haben, die die neue Allianz-Arena im Münchner Norden für die Sechziger, den FC Bayern München und die WM 2006 baut. Es gäbe Belege, dass Wildmoser senior von den Zahlungen gewusst habe, die über eine Immobilienfirma der Wildmosers im Osten lief, sagt die Staatsanwaltschaft. Der Präsident bestreitet das: „Um die Ostgeschäfte hat sich mein Sohn gekümmert“.

„Wildmoser raus“, brüllen die 2500 Sechzig-Fans in der Stuttgarter Arena. Da steht es schon 2:0 für den VfB Stuttgart durch Tore von Soldo (31. Minute) und Streller (33.). Konfus agieren die Münchner auf dem Rasen. Kaum Spielaufbau, wenig Strategie, allenfalls ein paar Rempler und Fouls. Patriarch Wildmoser reagiert mit einem versteinerten Gesicht hinter der getönten Scheibe. Die Schmährufe schmerzen.

In vielen Fernsehstudios der Republik tauchte der 64-Jährige nach seiner Freilassung auf. Vor allem im ZDF-Sportstudio hatte er dabei wenig Freude (siehe Kasten unten). In die Kabine seiner Spieler traut sich Wildmoser allerdings nicht. Die angekündigte Rede vor der Mannschaft fällt aus. Wildmoser schüttelt den Spielern in der Hotellobby die Hand wie einer, der seine Wiedereingliederung als selbstverständlich betrachtet. Trainer Falko Götz hatte die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen, als er von Karl-Heinz Wildmosers Ankündigung hörte, er wolle vor das Team treten. Jetzt zieht Falko Götz nur erleichtert die Brauen hoch. Wildmoser hat ihn und seine überforderte Mannschaft verschont.

Es könnte eine der letzten Dienstreisen des Großgastronoms sein. Heute Abend tagt der Aufsichtsrat des Vereins. Er mache bis zum Ende seiner Wahlperiode im Herbst weiter, versichert er in Stuttgart. Doch da spricht wohl auch Baupartner Bayern München ein Wort mit. Der Verein bereitet eine Zivilklage gegen die beiden Wildmosers vor. Und 1860-Aufsichtsrat und Oberbürgermeister Christian Ude will einen Neuanfang.

Gegen acht Uhr rollt der dicke, dunkle Wagen mit Wildmoser und seinen Chauffeuren in die Nacht hinaus. Heim nach Niederpöcking am Starnberger See. Heim in seine Villa bei seiner Ehefrau Therese. Dort fährt die Polizei nun regelmäßig Streife. Es gab Morddrohungen.

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