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Sport: Die Rettungsschwimmer von Spandau

Von Helen Ruwald Berlin. Gestern Nachmittag um zwei war Patrick Weissinger immer noch wach und hatte auch nicht vor, in absehbarer Zeit schlafen zu gehen.

Von Helen Ruwald

Berlin. Gestern Nachmittag um zwei war Patrick Weissinger immer noch wach und hatte auch nicht vor, in absehbarer Zeit schlafen zu gehen. Der tote Punkt war noch nicht erreicht, obwohl der Kapitän der Wasserfreunde Spandau sich ziemlich verausgabt hatte. 22 Stunden zuvor hatte er mit seinem Team im fünften Finalspiel um die deutsche Wasserballmeisterschaft durch ein 9:8 gegen Waspo Hannover den Titel erkämpft. Im Strandbad Halensee „haben wir mit 80 Leuten kräftig abgefeiert“, erzählt Weissinger. Es wurde gesungen, und, ja, gesoffen, und der eine oder andere landete unfreiwillig noch mal im Wasser. Früh um halb acht sammelte Weissinger anderen Müll ein, später kam er dienstlich wieder zum Bad: Mehrere Spandauer Spieler arbeiten dort als Rettungsschwimmer, Weissinger ist der Koordinator. Auch am Tag nach der Meisterfeier.

Die Euphorie über den 23. Titelgewinn seit 1979 – nur 1993 klappte es nicht - war wohl auch deshalb so groß, weil die Spandauer es so spannend machten. Die ersten beiden Finalspiele gewannen sie, das dritte und vierte ging an Hannover. Spandaus Trainer Peter Röhle, der bei jeder Meisterschaft als Spieler oder Trainer dabei war, schlief unruhig in der Nacht vor dem Entscheidungsspiel. Zu schlecht hatte sich seine Mannschaft bei den Niederlagen präsentiert, nachdem sie zuvor die gesamte Saison kein einziges Bundesligaspiel verloren hatte. „Das war ein Bruch, es ist schwer, so etwas noch zu drehen“, sagt Röhle, „man überlegt sich Mechanismen, wie man die Spieler wachrüttelt, damit sie dieses Glänzen in den Augen haben und ihr Herz auspacken, um zu siegen.“

„Wir wussten, wenn wir das Spiel offen halten, werden die Hannoveraner nervös“, sagt Weissinger, „dann kommt die Erinnerung ans vergangene Jahr hoch und dass sie ewiger Zweiter sind.“ 2001 hatte Waspo das fünfte Spiel in Berlin ebenfalls 8:9 verloren, damals nach Verlängerung. Weissinger, der nach einer Blinddarmoperation in den Play-offs nicht richtig fit war und „Motivationsprobleme hatte“, hat seinen Spaß am Sport wiedergefunden. Er wisse nicht, ob er weitermache, hatte er nach der Niederlage am Freitag noch frustriert gesagt. Inzwischen steht sein Bleiben quasi fest, wenn auch der Vertrag noch nicht unterschrieben ist. Einen Wechsel ins Ausland schließt Weissinger inzwischen aus. Er will sich mit der Nationalmannschaft für Olympia 2004 in Athen qualifizieren, die vielen Reisen zu Trainingslagern in Deutschland „würden schwierig“.

Der Titel sichert Spandau ein weiteres Jahr die Teilnahme an der Champions League. „Da muss das Final Four unser Ziel sein“, sagt Weissinger. In der abgelaufenen Saison schaffte es Spandau zwar unter die besten acht Teams Europas, steckte dort aber teilweise deftige Niederlagen ein wie beim 4:14 gegen den späteren Champions-League-Sieger Piräus. In Deutschland ist Wasserball eine Randsportart, und Spandau war durch die Sparbeschlüsse des Senats in seiner Existenz bedroht. Das Forumbad, wo die Spandauer ihre Finalspiele austrugen und trainieren, sollte geschlossen werden. Erst spät wurde es von der Streichliste genommen.

Um den Abstand zu Spitzenmannschaften aus Italien oder Griechenland zu verringern, wo Wasserball einen viel höheren Stellenwert besitzt, haben die Spandauer Hannovers Nationalspieler Marc Politze verpflichtet, wahrscheinlich folgt ihm auch sein Kollege Sören Mackeben nach Berlin. „Politze ist der beste deutsche Feldspieler“, sagt Spandaus Präsident Hagen Stamm, der auch Bundestrainer ist. Nicht auszudenken, dass Waspo als Meister in der Champions Leage angetreten wäre und die Stars mit ihrem neuen Klub nur im Europapokal der Pokalsieger.

Ein Übergangsjahr gesteht Stamm der Mannschaft zu, schließlich müssen die neuen Spieler integriert werden. Zudem verlassen Ersatztorhüter Igor Uchal und René Grotzki den Klub. Seinen „Traum für die nächsten zwei Jahre vom Final Four“ wird Stamm jedenfalls weiterträumen. Wie wunderbar es ist, ganz oben zu stehen, weiß er selbst ganz genau. 1982, 1985, 1986 und 1988 waren die Wasserfreunde Spandau Europapokalsieger. Mit den Spielern Stamm und Röhle.

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