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Sport: Die richtige Sechs

Nürnbergs Tomas Galasek ist der Prototyp des defensiven Mittelfeldspielers

Berlin - Es soll ja immer noch Leute geben, die Hans Meyer für einen Fußballtrainer halten. Mag sein, dass er diesen Beruf ausübt; in Wirklichkeit aber treibt den Trainer des 1. FC Nürnberg eine weitaus wichtigere Mission an: Er verfolgt das Ziel, das deutsche Publikum in die letzten Geheimnisse des Fußballs einzuweisen. An den wahren Hintergründen des Spiels, so lautet Meyers These, sind die Fans nämlich nur bedingt interessiert, deshalb betreibt er schon seit Jahren eine Art fortwährende Taktikschulung. Sein Lieblingskapitel ist die Rolle des defensiven Mittelfeldspielers, eine Position, „die überall auf der Welt ausgesprochen unterschätzt wird“, an deren besonderer Bedeutung für den modernen Fußball es aber eigentlich keine Zweifel mehr gibt. Meyer jedenfalls besitzt eine besondere Schwäche für den sogenannten Sechser.

Beim 1. FC Nürnberg, der heute im Halbfinale des DFB- Pokals auf Eintracht Frankfurt trifft (20.30 Uhr, live in der ARD), hat Meyer die ideale Besetzung für seine fußballerische Lieblingsposition gefunden: den Tschechen Tomas Galasek. „Er ist unbestritten unser wichtigster Spieler in dieser Saison“, sagt Nürnbergs Sportdirektor Martin Bader.

Galasek, Kapitän der tschechischen Nationalmannschaft, bringt alles mit, was Meyer von einem Sechser erwartet: strategisches Geschick, Spielintelligenz, Erfahrung, fußballerische Qualität, vor allem aber ein Gefühl für die Gefahr. Für Nürnbergs Trainer muss der defensive Mittelfeldspieler ein Mann sein, „der über den Dingen steht“. Weil Galasek all diese Erwartungen erfüllt, hat es Meyer nicht im Geringsten gestört, dass der Tscheche im Januar 34 geworden ist. Zvonimir Soldo, den Meyer immer für den besten Sechser der Bundesliga gehalten hat, beendete im vergangenen Sommer erst mit knapp 39 Jahren seine Karriere beim VfB Stuttgart. Einen „Soldo fünf Jahre jünger“ wollte Nürnbergs Trainer für seine Mannschaft haben.

Für Fußballer ist das immer noch ein stattliches Alter, doch wenn Galasek 28 und nicht 33 gewesen wäre, würde er heute vermutlich nicht in Nürnberg spielen. „Viele Vereine denken gar nicht erst über einen 33 Jahre alten Mittelfeldspieler nach“, sagt Bader. Galaseks Vertrag bei Ajax Amsterdam ist im Sommer ausgelaufen, der Verein wollte ihn noch einmal verlängern, allerdings nur für ein Jahr. Das war das Glück der Nürnberger. Als Bader seinem Trainer im vergangenen Frühjahr mitteilte, dass der Tscheche auf dem Markt sei, sagte Meyer: „Mach’s sofort!“ Nürnbergs Trainer kennt Galasek noch aus der Zeit, als er Ende der Neunziger beim holländischen Ehrendivisionär Twente Enschede arbeitete und der Tscheche bei Willem II in Tilburg spielte. Bis zum Sommer 2008 läuft dessen Vertrag bei den Nürnbergern, beide Seiten haben vereinbart, dass der Tscheche allein entscheiden kann, ob er ihn anschließend noch einmal verlängert – so wie einst Zvonimir Soldo in Stuttgart.

„Tomas war mein absoluter Wunschspieler“, sagt Meyer. „Er macht alle um sich herum zehn bis fünfzehn Prozent besser.“ Gerade den jungen Nürnberger Verteidigern verleiht der Tscheche ein Gefühl der Sicherheit, das sie angesichts ihrer mangelnden Erfahrung gar nicht haben können. Weil sie wissen, dass sie von Galasek abgesichert werden, erlauben sie sich auf dem Platz Dinge, die sie sich sonst wohl nicht zutrauen würden.

Obwohl die Position im modernen Fußball wichtig ist wie wohl keine zweite, verlangt sie von ihren Interpreten einen gewissen Altruismus. Es geht nicht darum, selbst zu glänzen; es geht darum, andere glänzen zu lassen. An einem guten Tag fällt der Sechser gar nicht weiter auf. Tomas Galasek, ein eher schüchterner Mensch, hat damit kein Problem. „Ich hoffe, dass meine Position für die Mannschaft wichtig ist“, sagt er. „Das ist alles.“

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