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Sport: „Die Sanktionen waren lange zu großzügig“

Der Präsident des Berliner Fußball-Verbandes, Bernd Schultz, über die Gewalt auf Berlins Fußballplätzen und ihre Bestrafung.

Herr Schultz, Spielabbrüche wegen Gewalt sind normalerweise ein Problem der untersten Ligen. Am vergangenen Wochenende gab es zum ersten Mal auch einen Abbruch in der Berlin-Liga, weil ein Schiedsrichter sich bedroht fühlte. Ist das ein Grund, Alarm zu schlagen?

Ich hoffe, dass dies ein Ausnahmefall ist und dass die Beteiligten in der höchsten Berliner Spielklasse sich darüber im Klaren sind, dass sie einen Vorbildcharakter für alle unteren Ligen haben.

Vor knapp einem halben Jahr gab es das Aktionswochenende gegen Gewalt gegen Schiedsrichter, noch am selben Wochenende eskalierten erneut mehrere Berliner Amateurspiele. Lässt sich inzwischen irgendeine Besserung feststellen?

Aktuell wird die Lage sicherlich überschattet vom Vorfall in der Berlin-Liga. Aber insgesamt sind schon positive Tendenzen zu erkennen, insbesondere was den Umgang mit Schiedsrichtern angeht. Wir sind allerdings nicht so naiv zu glauben, dass das Problem gelöst wäre. In dem Bewusstsein, dass es immer wieder Vorfälle geben wird, setzen wir auch unangemeldet Beobachter an bei Spielen, wo wir das Gefühl haben, dass etwas passieren könnte.

Mit welchen weiteren Maßnahmen gehen Sie das Problem an?

Wir haben uns in letzter Zeit intensiv mit den Schiedsrichtern in den unteren Klassen beschäftigt und werden diesen weiter Fortbildungsmaßnahmen anbieten. Darüber hinaus haben wir runde Tische eingeführt. Um zu diskutieren und Problembewusstsein bei allen Beteiligten zu wecken.

Wie ist die Aufklärung der einzelnen Fälle aus dieser Saison vorangekommen und welche Strafen gab es?

Es sind noch nicht alle Fälle abgeschlossen. Dass Mannschaften komplett ausgeschlossen wurden, kam nicht vor. Es sind aber einzelne Spieler suspendiert worden, teilweise auf Lebenszeit.

Die zweite Mannschaft des BSV Al-Dersimspor aus der Kreisliga A wurde gerade vorübergehend suspendiert, da sie in dieser Saison mehrfach negativ auffiel und schon zweimal einen Spielabbruch verursachte. Welche Konsequenzen drohen dem Verein?

Das ist ein schwebendes Verfahren, deswegen möchte ich dazu keine Stellung nehmen. Rein theoretisch gibt es natürlich mehrere Möglichkeiten, vom Ausschluss einzelner Spieler bis hin zu Sanktionen für den Verein. Da muss man aber abwarten.

Kritiker fordern empfindlichere Strafen gegen auffällige Vereine oder auch ein Aussetzen des Spielbetriebs, um ein deutliches Zeichen zu setzen. Was halten Sie von solchen Maßnahmen?

Wir haben die Aktion im Herbst ganz bewusst so angelegt, keinen Spieltag abzusagen, sondern zu Diskussion und Nachdenken anzuregen. Beim Ruf nach härteren Strafen verweise ich auf die Strafen, die wir gegen Einzelne bereits verhängt haben. Suspendierung auf Lebenszeit – härter kann man meiner Ansicht nach nicht durchgreifen. Ich neige nicht dazu, Leute oder ganze Vereine rauszuschmeißen und das Thema so nur zu verlagern.

Hat der Berliner Verband es in der Vergangenheit versäumt, durch härteres Eingreifen und mehr Einwirken auf die Vereine gegen das Gewalt-Problem vorzugehen?

Wenn man reflektiert, war es vielleicht so, dass die Sanktionen lange zu großzügig waren. Spätestens seit 2004 haben wir uns aber intensiv mit dem Thema beschäftigt. Die Zahlen zeigen auch, dass wir hier bereits Erfolge erzielt haben. Gerade was die Präventionsarbeit angeht, kann man uns bestimmt keinen Vorwurf machen. Wir hatten auch schwere Fälle wie zum Beispiel den Fall TuS Makkabi.

Ein jüdischer Sportklub, dessen Mannschaft von Fans des VSG Altglienicke antisemitisch beschimpft und vom Schiedsrichter nicht geschützt wurde...

Dort haben wir mit Handlungsrichtlinien reagiert. Wir haben einen zusätzlichen Paragraphen eingeführt, der sich speziell mit Fällen von Rassismus und Antisemitismus beschäftigt. Wir setzen verstärkt auf Anti-Gewalt-Kurse für Jugendliche. Bei 35-Jährigen gibt es wohl keine Hoffnung mehr, aber im Jugendbereich kann man die Leute noch erreichen. Wir haben gezielt mit 300 Jugendlichen Präventionskurse durchgeführt, von diesen sind nur zwei rückfällig geworden. Außerdem gibt es eine Zusammenarbeit mit der Initiative „Berliner Freunde“, die unter der Schirmherrschaft des Regierenden Bürgermeisters steht und in der sich unter anderem Hertha BSC engagiert. Mit deren Hilfe können sich Jugendmannschaften und Schiedsrichter vor den Spielen zum gemeinsamen Frühstück treffen, damit man sich gegenseitig kennenlernt und sich nicht nur als Gegner wahrnimmt.

Ist auch aus den Vereinen selbst ein Engagement gegen Gewalt zu erkennen?

Überwiegend ja. Zum einen habe ich erlebt, dass Urteile des Sportgerichts sofort akzeptiert werden, außerdem suspendieren Vereine auffällig gewordene Spieler auch immer öfter selbst. Das sind Zeichen, dass die Vereine begriffen haben, dass Gewalt auf Plätzen nichts zu suchen hat.Es lässt sich ein Bewusstseinswandel feststellen, auch wenn es immer noch vorkommt, dass Klubs versuchen, einzelne Übeltäter zu schützen.

Wie sind die Vorgaben für Schiedsrichter, wann und unter welchen Umständen sie ein Spiel abzubrechen haben?

Eines ist klar festgelegt: Jeder körperliche Angriff auf die Unparteiischen ist ein Grund, das Spiel abzubrechen. Bei allen anderen Fällen wünsche ich mir, dass die Schiedsrichter zunächst alle Mittel ausschöpfen. Zum Beispiel die Partie zu unterbrechen, mit den Mannschaftskapitänen zu reden, zu versuchen, die Situation gemeinsam mit Verantwortlichen beider Teams zu beruhigen.

Das Gespräch führte Axel Gustke.

Bernd Schultz, 54,

ist seit 2004 Präsident des Berliner Fußball-Verbandes (BFV). Zuvor war er bereits Schatzmeister des

Verbandes und

Geschäftsführer beim SC Wacker 04.

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