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Sport: Die Schande des Champions

Die Basketballer von Alba Berlin blamieren sich beim 95:90 gegen den Abstiegskandidaten aus Würzburg

Berlin. Als das Spiel vorbei war, schaukelte Stefano Garris immer noch am Korb. Den Ball hatte er vorher noch durch das Netz bugsiert, Punkte bekam er dafür jedoch keine mehr. Die Zeit war abgelaufen. Garris störte es nicht, er ließ sich lachend fallen. 29 Zähler hatte er gemacht, mehr als je zuvor in einem Bundesligaspiel, und sieben von neun Dreipunktewürfen verwandelt. „Ich habe nicht nachgedacht, meine Würfe getroffen und bin dann heiß gelaufen“, sagte der 23-jährige deutsche Nationalspieler, der bislang kaum überzeugt hatte.

Nur wegen Garris und seiner unglaublichen Quote endete die Blamage des Deutschen Meisters Alba Berlin mit einem Sieg. 95:90 (42:48) schlugen die Berliner den Abstiegskandidaten aus Würzburg – nach nur zehn Minuten hatte der Tabellenvorletzte der Basketball-Bundesliga mit 37:22 geführt und schon acht seiner insgesamt zwölf Dreipunktewürfe getroffen. Acht in zehn Minuten. Die Berliner griffen nicht ein, sie ließen die Gäste aus allen Lagen werfen. Zuvor hatten diese erst zwei von 13 Bundesligapielen gewonnen.

Alba hatte bis zum Sieg in der Europaliga gegen Athen am Donnerstag in neun Spielen hintereinander acht Niederlagen eingesteckt. Der Erfolg gegen die Griechen sollte den Umschwung bringen. Doch die Berliner haben die Krise noch längst nicht überwunden, sie stecken mittendrin. „Würzburg hat ohne zwei Leisungsträger gespielt und konnte wenig rotieren. Davon haben wir profitiert, nicht von unserem eigenen Spiel“, sagte Trainer Emir Mutapcic, der stocksauer auf seine Mannschaft war und nach der Partie in der Kabine eine ungwohnt lange Ansprache hielt.

„Stand up, stand up for the champions, stand up“, dröhnte es derweil durch die Max-Schmeling-Halle. Die 6911 Zuschauer erhoben sich tatsächlich von ihren Plätzen. Freilich nicht, um Alba zu feiern, sondern um nach Hause zu gehen. Unterhaltsam und bis zum Schluss spannend war die Partie gewesen. Und eines Noch-Meisters unwürdig. Selbst den Spielern war ihr Auftritt peinlich. „Das war eine Schande vor 7000 Zuschauern. Vielleicht haben wir gedacht, das ist keine gute Mannschaft und uns reichen 55 Prozent unseres Leistungsvermögens“, sagte Centerspieler Jovo Stanojevic. Man habe den Gegner unterschätzt, sagte Mithat Demirel. Wie das trotz eigener Negativserie und Würzburger Sieg vor exakt einem Jahr in Berlin möglich ist, konnte er freilich nicht erklären. Für Albas Präsident Dieter Hauert ist es das „Trauma der Mannschaft: Wenn sie einmal gut gespielt hat, denkt sie, sie kann das nächste Spiel nach Hause schaukeln. Aber das geht nicht mehr.“

Gegen Würzburg fehlte neben Garris ein Spieler, der das Team hätte mitreißen können. Stanojevic machte 16 Punkte, doch er spielt zu unauffällig und ist zu ruhig. Ein effektiver Spieler, aber kein Antreiber. Ähnliches galt gestern für Quadre Lollis (14 Punkte/13 Rebounds). Spielmacher Demirel ist nach seiner Verletzung (Ischiasnerv) weder wirklich fit noch in Form, sein Kollege John Celestand enttäuschte mit einer Feldwurfquote von 22 Prozent. Sein starker Auftritt drei Tage zuvor gegen Athen war schon als Durchbruch gefeiert worden – verfrüht.

Marko Pesic brachte Alba zwar mit einem Dreipunktewurf nach 24 Minuten zum 52:50 erstmals in Führung, doch bei ihm klappte trotz seiner zwölf Punkte wenig. Wegen einer alten Fußverletzung ging er frühzeitig vom Feld, auch psychisch ist der extrem ehrgeizige Nationalspieler angeschlagen, weil er mit sich selbst so unzufrieden ist. Gegen Würzburg gewann Pesic seine mentale Stärke gewiss nicht zurück:. Im ersten Viertel verteidigte er gegen Peter Heizer und ließ ihn 13 Punkte machen. Auf 28 kam der Aufbauspieler insgesamt, der in der vergangenen Saison noch beim Zweitligsten Quakenbrück unter Vertrag stand. „Und jetzt macht er 28 Punkte gegen Alba, davon kann er sein ganzes Leben erzählen“, sagte Mutapcic entnervt.

Wegen der Länderspiele gegen Mazedonien und Kroatien, für die die Berliner Demirel, Garris und Guido Grünheid nominiert sind, werden die Berliner in der kommenden Woche nur trainieren. Das nächste Spiel in der Europaliga in Zagreb findet erst in zehn Tagen statt, das Bundesligaspiel in Ludwigsburg zwei Tage später. Die bisherigen Länderspiel- und Weihnachtspausen haben Alba nicht gut getan. Der Meister startete danach immer mit Niederlagen. Doch „wenn man sieht, was wir heute geboten haben, dann ist die Pause gut“, sagt Mutapcic. Denn Albas Auftritt war einfach nicht mitanzusehen.

Helen Ruwald

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