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Sport: Die Sieger aus dem Nebenzimmer

Die deutschen Kombinierer könnten die großen Gewinner der Nordischen Ski-WM in Oberstdorf werden

Weil Ronny Ackermann vor ein paar Jahren in Sapporo auf der Schanzenanlage ein Nebenzimmer entdeckt hat, kann er jetzt mitreden, wenn die Sprache auf die Nordischen Skiweltmeisterschaften 1987 in Oberstdorf kommt. In jenem Raum lagerten ein paar Videoaufnahmen jener WM, bei der er erst zehn Jahre alt gewesen ist. „Wir haben uns die Videos angesehen“, sagt Ackermann, „wir wollten überprüfen, ob unsere Trainer damals wirklich in der Luft so eine Vorlage hatten, wie sie es uns heute erzählen.“

Vielleicht werden in einem kommenden Jahrzehnt in einem Nebenzimmer in Sapporo Videoaufnahmen von Ronny Ackermann zu finden sein. Heute hat der Kombinierer im Mannschaftswettbewerb (11 Uhr, Springen auf der Großschanze, 15 Uhr, 4 x 5 Kilometer Langlauf, live im ZDF) die Gelegenheit Bundestrainer Hermann Weinbuch noch zu übertreffen. Der hatte bei der WM vor 18 Jahren Gold und Bronze gewonnen. Eine Goldmedaille besitzt Ackermann nach dem deutschen Doppelsieg mit Björn Kircheisen im Einzelwettbewerb bereits. Nun kann er ihr eine zweite hinzufügen, denn das deutsche Team startet nach dem spektakulären Triumph vom Freitag als Favorit. Allerdings sagt Sprungtrainer Andreas Bauer: „Man kann auch schnell Vierter oder Fünfter werden.“

Die Kombinierer haben die Chance, Oberstdorf als die großen Gewinner im Deutschen Skiverband (DSV) zu verlassen. Die Langläufer enttäuschen bisher die hohen Erwartungen, die Spezialspringer können mit jeder Medaille positiv überraschen, die Kombination könnte die Disziplin der Sieger werden. „Ich erwarte von ihnen noch eine Medaille“, sagte Detlef Braun, der Nordisch-Sportwart im DSV. „Diese Erwartung hat sich die Mannschaft in den letzten Jahren erkämpft.“ Mit dem Rennen vom Freitag hat das deutsche Team bereits Werbung für ihre Sportart betrieben. „Das gibt der Kombination einen Schub“, glaubt Andreas Bauer. „Viele haben mir gesagt, dass sie noch nie so ein spannendes Rennen gesehen haben“, berichtet Ronny Ackermann, „weder im Langlauf noch in der Kombination.“ Auf seinem Handy hatten sich sofort nach dem Rennen 80 Gratulationen in Form von Kurzmitteilungen angesammelt.

In der Vergangenheit hatte sich das öffentliche Interesse im Wintersport vor allem auf die Spezialspringer und auf Biathlon konzentriert. Ronny Ackermann hält die aktuelle Aufmerksamkeit allerdings schon für ausreichend. „Wir sind ja schon seit ein paar Jahren geschlossen vorne mit dabei“, sagt der alte und neue Weltmeister. „Der Erfolg bringt die Aufmerksamkeit automatisch mit sich“, sagt Andreas Bauer. Als Trainer im B-Kader der Spezialspringer konnte er dieses Phänomen bereits beobachten. Von seiner neuen Aufgabe bei den Kombinierern ist der Sprungtrainer begeistert. „Die Sportart fordert den richtigen Athleten“, sagt Bauer, „man braucht Ausdauer und Schnelligkeit, das beißt sich eigentlich gegenseitig.“ Wer nur Ausdauer trainiere, habe Schwierigkeiten auf der Sprungschanze, wer die Schnelligkeit übt, tut sich im Langlaufen schwer. Der Athlet muss ein gutes Verhältnis zwischen beidem finden.

Sebastian Haseney beispielsweise ist ein guter Langläufer. „Aber er wird sicher kein begnadeter Skispringer mehr werden“, sagt Bauer. Allein seine Statur spreche dagegen: 68 Kilogramm verteilen sich bei ihm auf 1,62 Meter. Das vergleichsweise hohe Gewicht zieht ihn beim Flug durch die Luft früher herunter. Im Kampf um den vierten Platz in der Staffel setzte sich der 26-Jährige aus Zella-Mehlis in der internen Ausscheidung gegen seinen Klub-Kollegen Tino Edelmann durch. Zwar sprang Haseney in den entscheidenden zwei Trainingsdurchgängen kürzer als Edelmann, auf Grund seiner läuferischen Klasse erhielt er aber den Vorzug. Damit startet er im Team mit Ackermann, Kircheisen und Georg Hettich. Für Haseney bietet sich damit ebenfalls die große Chance, irgendwann einmal auf einem japanischen Video verewigt zu werden.

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