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Es gibt keine Großen mehr? Deutschland kam in der EM-Qualifikation 2003 nur zu einem 0:0 und 3:0 gegen Island.

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Die Sorge vor den WM-Außenseitern: Es gibt keine Großen mehr

Der Fußball-WM 2014 droht bereits im Vorfeld ein Spannungskiller: eine unübersehbare Schwemme von tapferen Außenseitern. Deshalb heißt es für die Play-offs Daumen drücken: Mexiko und Uruguay, übernehmen Sie!

Michel Platini ist ja im Moment ein sprudelnder Quell bizarrer Ideen, so dass man spontan auf den Gedanken kommt: Die Drogen will ich auch. Der Uefa-Präsident hat sich ausgedacht, dass die EM 2020 in einem Dutzend Ländern stattfindet, was für drei Wochen die größten Völkerwanderungen in Europa seit dem Einbruch der Hunnen in Gang setzen wird.

Er ist es auch, der überlegt, Brasilien und Argentinien (und vielleicht auch noch Japan und Mexiko) zur Europameisterschaft einzuladen, damit diese öde Veranstaltung endlich ein klein bisschen bunter wird. Und neulich hat er vorgeschlagen, das Teilnehmerfeld der WM auf 40 Teams zu erweitern.

Alles schöne Länder! Aber gleich alle auf einmal?

Okay, Letzteres war nur eine Replik auf eine Idee des anderen großen Quartalsirren des Fußballs. Sepp Blatter fordert mehr WM-Plätze für Afrika und Asien (und weniger für Europa). Platinis Gedankenspiel der Erweiterung konterte der greise Allmächtige des Weltfußballs mit mildem Spott: „Warum nicht gleich 48, 64 oder 128?“

Und wir? Wir bleiben ratlos zurück und fragen uns: Was wollen diese Leute eigentlich, außer ihre eigenen Pfründe zu sichern? Wollen sie die Weltmeisterschaft, die einmal der wichtigste Wettbewerb dieses Sports war, endgültig der Lächerlichkeit preisgeben? Indem sie ihn erstens mitten im Sommer in die Wüste legen und zweitens jeden daran teilnehmen lassen, der nicht bei drei auf den Bäumen ist?

Morgen beginnen nun auch die letzten Qualifikationsspiele um die Teilnahme an der WM 2014. Danach haben sich neben Honduras, Costa Rica, dem Iran, Ecuador und Bosnien-Herzegowina möglicherweise auch noch Burkina-Faso und Island qualifiziert. Nicht, dass wir uns missverstehen: Alles schöne Länder! Und es wäre herrlich, einige davon beim Weltturnier spielen zu sehen. Aber gleich alle auf einmal?

Man muss bei diesem Thema ja immer aufpassen, dass man nicht eurozentristisch oder kolonialistisch oder sonst wie -istisch rüberkommt, aber es wäre doch schön, wenn die Weltmeisterschaft das bliebe, als was sie ursprünglich mal gedacht war: das Aufeinandertreffen der besten Fußballer des Planeten.

Deutschland im nächsten Sommer mit der B-Elf?

Dabei sollen gar nicht solch bedauernswerte Einzelschicksale wie die von Zlatan Ibrahimovic, Cristiano Ronaldo oder Gareth Bale beklagt werden, die dem eigenen Superstarstatus zum Trotz vielleicht oder mit Sicherheit nicht dabei sind, weil ihre Nationalteams gerade schwach auf der Brust sind. Aber eine Verwässerung des Niveaus zugunsten eines globalen Ringelpiez mit Anfassen, wie es Platini und/oder Blatter vorschwebt, muss wirklich nicht sein.

Es kommt ja auch niemand auf die Idee, die erste Bundesliga auf 30 Mannschaften zu erweitern, damit der SV Sandhausen und Wacker Burghausen Kommunen unter 20 000 Einwohnern oder Holstein Kiel Schleswig-Holstein repräsentieren kann.

Die Aussichten für 2014 sind bereits dramatisch genug. Hoffen wir also, dass Uruguay und Mexiko auch in den Rückspielen ihrer Play-off-Begegnungen die tapferen Jordanier und Neuseeländer besiegen. Sonst kommt es am Ende soweit, dass Spanien, Brasilien oder Deutschland im nächsten Sommer guten Gewissens bis zum Viertelfinale mit ihrer B-Elf antreten können. Und Jogi Löw klebt sich einen Völler-Schnauz an und seufzt: „Es gibt keine Großen mehr!“

Der Text erscheint mit freundlicher Genehmigung des Magazins für Fußballkultur 11 FREUNDE.

Jens Kirschneck

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