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Sport: Die Spiele gehen weiter

Doping, Sicherheit und das Erwachen Asiens: Was man aus Athen für die Zukunft mitnehmen kann

Als Jacques Rogge am Sonntag zum letzten Mal den Saal „Vergina“ betrat, brachte der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) eine überraschende Botschaft mit: Die Spiele sind längst nicht zu Ende – allen anders lautenden Meldungen zum Trotz. Sie gehen weiter, auch nach der spektakulären Schlussfeier vom Sonntag. Erst in acht Jahren wird sich beispielsweise der 100-Meter-Sieger Justin Gatlin endgültig über seine Goldmedaille freuen dürfen. Bis dahin friert das IOC alle 3500 Dopingproben aus Athen ein, um sie eventuell noch einmal untersuchen zu können, falls in Zukunft neue Nachweismethoden für verschiedene Dopingmittel gefunden werden. Jacques Rogge sagt: „Der Kampf gegen Doping geht weiter.“ Das ist die eine Botschaft, die von den 28. Olympischen Spielen in Athen ausgeht: Kein Sieg ist endgültig. Jedes Resultat steht unter Dopingverdacht und muss mit einer kleinen Fußnote versehen werden – alle Angaben ohne Gewähr. Die andere Botschaft sendet das Straßencafé in der Dorylaiou-Straße aus. Hier trinken Touristen und Journalisten Kaffee. Außerdem sitzen noch vier finster blickende Männer dort. An ihrer rechten Seite tragen sie eine Pistole. Ihre Aufgabe bei den Olympischen Spielen steht in großen Lettern auf ihrem Rücken geschrieben: Bomb Squad – Bombensucher.

40 000 Sicherheitskräfte bewachten diese Spiele, endlose Zäune und hunderte Sicherheitsschleusen hielten jeden Besucher lange auf. „Das hat die Spiele belastet, aber nicht beschädigt“, sagte das deutsche IOC-Mitglied Walther Tröger. Der deutsche NOK-Präsident Klaus Steinbach nimmt aus Athen die Botschaft mit, dass es weitergehen kann. „Ich sehe das positiv: Die Spiele sind auch unter diesen Bedingungen machbar.“ Die ersten Olympischen Sommerspiele des 21. Jahrhunderts künden jedoch von einer schwierigen Zukunft zwischen Sicherheitsmaßnahmen und Doping. „Natürlich wird die Sicherheit weiter eine große Rolle spielen, wenn sich die Weltlage nicht verändert“, sagt Tröger.

Auch beim Doping scheint sich so bald nichts zu ändern. „Es liegt in der Natur des Menschen, dass er betrügt“, sagt Patrick Schamasch, der Medizinische Direktor des IOC. In Athen ist deshalb bereits fast jeder vierte Athlet getestet worden, in Peking sollen noch mehr der insgesamt 10 500 Athleten getestet werden.

Und noch einen Hinweis auf die Zukunft gab Athen. „Wir haben bei diesen Spielen das Erwachen Asiens erlebt“, sagte Rogge. China schloss diese Spiele im Medaillenspiegel auf Rang zwei ab. „Das hat sich in Sydney schon angedeutet“, sagte Steinbach. Die Olympischen Spiele von 2008 dürften zu einer chinesischen Leistungsschau auf allen Gebieten werden. Walther Tröger glaubt jedoch, dass dieser Aufschwung nicht lange anhalten wird. „Schon jetzt gibt es Zeichen, dass es mit der chinesischen Wirtschaft nicht so weitergeht.“

Die Griechen überraschten mit hervorragenden Sportstätten und einer weitgehend reibungslosen Organisation. Ihre Spezialität dürfte jedoch der Chauvinismus der Zuschauer bleiben. Diese bejubelten lediglich die eigenen Athleten, dagegen wurden vor allem die US-Amerikaner ausgepfiffen. Das Finale des 200-Meter-Laufes verzögerten die griechischen Fans mit ihren Unmutsäußerungen sogar minutenlang. „Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis“, sagt Klaus Steinbach. „Das Fairplay beginnt auch bei den Zuschauern.“

Und noch etwas wurde deutlich: Die Olympischen Spiele von Athen könnten ein Wendepunkt in der Geschichte gewesen sein. Nach Jahren des Wachstums künden erste Zeichen von einem Abschwung. Mit 3,5 Millionen Tickets verkaufte Athen weniger als Atlanta oder Sydney. Und mit der immer offensichtlicheren Dopingproblematik verliert der Sport ein großes Stück Faszination. Die lag bislang in der Eindeutigkeit und Transparenz seiner Ergebnisse. Auch für den Laien war der Gewinner leicht zu erkennen: Er lief eine schnellere Zeit, sprang weiter oder zeigte eine akrobatischere Übung. Nun kann der Zuschauer den Platzierungen nicht mehr trauen. Der Gewinner kann ein Betrüger sein, selbst wenn er einen Dopingtest bestanden hat.

Das ist gleichwohl keine neue Erkenntnis. Spätestens seit der Kanadier Ben Johnson 1988 seine im 100-Meter-Lauf errungene Goldmedaille abgeben musste, weiß die Welt um die Dopingproblematik im Sport. Doch erst in Athen hat das IOC den Kampf gegen die Betrüger ernsthaft aufgenommen. Bis zum Montag tauchten 23 Dopingfälle auf. Der Fall der beiden griechischen Sprinter Ekaterini Thanou und Konstantinos Kenteris, die sich einer Dopingprobe entzogen hatten, war das herausragende Ereignis der gesamten ersten Woche der Spiele. Das alles rückt das Doping weiter in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Dazu gibt es keine Alternative. „Das IOC ist erfreut über den Fortschritt, den es im Kampf gegen Doping gemacht hat“, sagt Rogge.

Am Sonntagabend hatte sich der IOC-Präsident bei den Griechen für traumhafte Spiele bedankt. Nach den Spielen von Athen muss man schon ein wenig weiter träumen, um sich freiere und ehrlichere Spiele vorstellen zu können. „Ich bin Optimist“, sagt Walther Tröger, „ich glaube, dass sich die Welt wieder bessern wird.“

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