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Sport: Die Spielverderber

Hertha BSC bereitet seinen Gegnern wenig Spaß

Berlin - Am Samstagnachmittag gegen Viertel nach fünf wird Dieter Hoeneß froh gewesen sein, dass Hans Meyer nicht mehr Trainer bei Hertha BSC ist. In diesem Moment kam Falko Götz, Meyers Nachfolger, auf ihn zugeflogen und landete an Hoeneß’ großem Herz. Herthas Manager bewahrte nicht nur Haltung, was ihm beim ungleich schwereren Meyer wohl kaum gelungen wäre, er tanzte auch mit Götz an der Brust über die Tartanbahn und feierte den Siegtreffer so ausschweifend, als wäre es das erste Mal gewesen. In Wirklichkeit kennen die Berliner solche Situationen bestens. Wichniareks 2:1 gegen den 1. FC Nürnberg war in dieser Saison schon das dritte entscheidende Tor, das Hertha in letzter Minute erzielt hat. „Mein Spaßfaktor war in diesem Moment sehr groß“, sagte Hoeneß.

Herthas Gegner können so etwas schon lange nicht mehr behaupten. Seit elf Spielen sind die Berliner ungeschlagen, so lange wie keine andere Mannschaft der Fußball-Bundesliga. Das liegt nicht nur daran, „dass die in den letzten Minuten immer ein Tor machen“, wie es Nürnbergs Stürmer Markus Daun in seiner ersten Enttäuschung äußerte. Sein Trainer Wolfgang Wolf sagte: „Wir sind mit dem Gegner überhaupt nicht klar gekommen.“

Das Schlimme an Niederlagen gegen Hertha ist, dass sie für den Gegner oft unerklärlich sind und manchmal auch ungerechtfertigt erscheinen. Das ohnehin nicht besonders gute Verhältnis zu Mainz 05 zum Beispiel ist vor einer Woche noch dadurch belastet worden, dass Götz nach dem 3:0 von einem Sieg der besseren Mannschaft sprach. Der Mainzer Trainer Jürgen Klopp reagierte darauf ziemlich erbost: „Die schlechtere Mannschaft hat 17- mal aufs Tor geschossen, die bessere fünfmal. Die schlechtere Mannschaft hatte fünf Ecken, die bessere gar keine.“

Die Qualität des Berliner Spiels lässt sich mit traditionellen Maßstäben nur eben bedingt messen: Herthas spielerisches Design ist nicht immer attraktiv, aber von hoher Effizienz geprägt. Bezeichnenderweise leiden die Zielstrebigkeit und der Erfolg immer dann, wenn Herthas Künstlern die Kunst zum Selbstzweck gerät, wenn sie versuchen, nur noch schön zu spielen, so wie in Bochum, als die Berliner einen 2:0-Vorsprung einbüßten.

„Wir sind schwer zu spielen“, sagt Dieter Hoeneß. Das liegt daran, dass die Mannschaft taktisch gut geordnet ist, sehr diszipliniert auftritt und sich die vielen Mittelfeldspieler durch hohe Laufbereitschaft auszeichnen. Gefährliche Situationen für das eigene Tor werden dadurch schon in ihrer Entstehung unterbunden. Den Rest erledigen dann die robusten Verteidiger oder in letzter Instanz der sichere Torhüter Christian Fiedler. „Wir konnten uns in der ersten Halbzeit nicht nach vorne entfalten“, sagte Nürnbergs Trainer Wolf. Eine Stunde dauerte es, ehe zum ersten Mal ein Ball auf Herthas Tor flog.

„Ich bin ein Verfechter offensiven Fußballs“, sagt Götz, „aber wichtig ist erst einmal die Defensive.“ Das unterscheidet den aktuellen Götz vom Interimstrainer Götz, der vor drei Jahren mit bedingungsloser Offensive das Berliner Publikum begeisterte. Damals musste er die Sache einfach laufen lassen. Hinter Herthas derzeitigem Aufschwung aber stehen klare taktische Überlegungen. Götz’ Reifeprozess als Trainer ist am Spiel seiner Mannschaft deutlich abzulesen.

Seine größte Leistung ist, dass er für den vorhandenen Kader mit seinen offenkundigen Schwächen ein funktionierendes taktisches System gefunden hat. Obwohl Wichniarek gegen Nürnberg das entscheidende Tor erzielte, besitzt Hertha zum Beispiel keinen einzigen gefährlichen Stürmer. Trotzdem ist die Mannschaft offensiv erfolgreich, weil Götz von seinen drei mittelmäßigen Angreifern Rafael, Bobic und Wichniarek eben nur einen spielen lässt und stattdessen lieber noch einen zusätzlichen seiner vielen guten Mittelfeldspieler aufstellt.

Mit Yildiray Bastürk und Gilberto „hat sich die gesamte spielerische Qualität einfach deutlich erhöht“, sagt Manager Hoeneß, wobei es gegen Nürnberg Bastürk nahezu allein war, „der das Ding gezogen hat“. Der Türke holte den Elfmeter zum 1:0 heraus und bereitete auch den Siegtreffer vor. Mit den neuen Spielern hat die Mannschaft das gefunden, was Huub Stevens in seiner Zeit als Trainer bei Hertha vergeblich gesucht hatte: die Balance zwischen Offensive und Defensive. „In der letzten Saison sind wir mit sechs, sieben, acht Spielern nach vorne gestürmt“, sagt Hoeneß. „Jetzt reichen drei oder vier.“ Trotzdem hat Hertha fast doppelt so viele Tore geschossen wie vor einem Jahr.

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