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Sport: Die Spitze genommen

Die deutschen Biathleten brechen bei der WM über 20 Kilometer ein – und diskutieren über ihre Leitfigur

Am stürmischen Mittwoch hat Michael Rösch sich Sorgen gemacht. Um seine Biathlon-Kollegen, denen in den Östersunder Wäldern beim Training gerade die Äste um die Ohren flogen. Und um die Zuschauer. Die mussten wegen der Absage des Frauen-Einzels unverrichteter Dinge wieder nach Hause marschieren, dafür bekamen sie gestern eine Doppelveranstaltung geboten. Doch nun hatten die Menschen bei den Klassikern der Frauen (15 km) und Männer (20 km) ein anderes Problem, wie Rösch fand: „Denn der Reiz beim Einzelrennen liegt für die Fans ja vor allem darin, nicht einzuschlafen.“

Entschlummert ist im Publikum aber allein schon wegen der frostigen sieben Minusgrade in Östersund keiner. Dafür erlebte das deutsche Quartett ein böses Erwachen: Weit abgeschlagen hinter dem norwegischen Sieger-Duo Emil Hegle Svendsen (Gold) und Ole Einar Björndalen (Silber) blieben die DSV-Starter Alexander Wolf (19.), Michael Rösch (25.), Daniel Graf (33.) und Michael Greis (36.) am Ende nur Statisten. Und so musste sich der zwar vorlaute, aber zugleich traditionsbewusste Rösch („Für uns Biathleten ist das Einzel eigentlich die richtige Disziplin. Denn hier musst du gut laufen und gut schießen können.“) doch auch wieder um die deutschen Biathleten sorgen. Nicht zuletzt um den arg schwächelnden Greis. Am ersten WM-Wochenende überraschte der Allgäuer sein Team damit, dass er wegen einer Erkältung auf seinen Start im Sprint und damit zugleich auf eine mögliche Medaille im Jagdrennen verzichtete. „Am Morgen beim Frühstück sah er jedenfalls noch völlig normal aus“, erzählte Teamkollege Daniel Graf. Er merkte dann, dass so eine Antwort in Zeiten forcierter Dopingdiskussionen unangenehme Nachfragen aufwerfen könnte, und sagte rasch: „Hut ab vor der Entscheidung von Michael Greis.“

Respekt war zu Saisonbeginn vor allem für die Leistungen des Personals hinter Greis angesagt. Denn während die verhinderte Führungsfigur nach dem Rücktritt von Sven Fischer und Ricco Groß mit seiner neuen Rolle kämpfte, fuhren aus der zweiten Reihe plötzlich Carsten Pump, Daniel Graf und Alexander Wolf aufs Weltcup-Podium. Und der 29-jährige Wolf sprang mit seinem dritten Platz in der Verfolgung nun auch kurzzeitig als WM-Antreiber ein. „Das war die erhoffte Initialzündung“, sagte Bundestrainer Frank Ullrich. Derweil heizte Wolf die interne Konkurrenz verbal ein: „Wir haben es geschafft – auch ohne Michael Greis.“ Eine Offensivtaktik, die auch Graf gerne anwendet. „Natürlich darf man nicht vergessen, dass Michael Greis drei Goldmedaillen aus Turin mitgebracht hat. Und die wiegen immer noch schwer“, sagte der 26-Jährige. „Im Wettkampf, interessiert sich keiner dafür, was du vorher gemacht hast. Da geht es für jeden immer wieder bei Null los.“

Von Null auf hundert zu starten, so wie Magdalena Neuner im Vorjahr – bei den Männern ist das wegen der großen internationalen Konkurrenz nahezu unmöglich. Und dann soll man intern auch noch den Anführer spielen. „Für die Gruppe ist es sicher gut, wenn man einen Leistungsträger wie ihn hat“, sagte Graf. Denn: „Wenn man so einen mal hinter sich lässt, weiß man, dass man von der Weltspitze nicht mehr ganz so weit entfernt ist.“

Gestern Abend allerdings war diese Weltspitze für alle deutschen Biathleten sehr, sehr weit entfernt.

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