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Sport: Die Spitze genommen

Was Herthas Spieler über die Worte ihres Trainers sagen

Berlin. Michael Preetz guckte verdutzt. „Das hat er wirklich gesagt? Davon habe ich weder gehört noch gelesen.“ Preetz, konfrontiert mit des Trainers Einschätzung, Hertha BSC sei keine Spitzenmannschaft, gab sich nicht nur ahnungslos, er war es auch. Dabei hätte man vermuten können, Huub Stevens hätte mit seiner Äußerung für große Aufregung unter den Spielern gesorgt. Waren die nicht mit dem Ziel angetreten, am Saisonende einen Champions-League-Platz zu ergattern? Hatte nicht Stefan Beinlich, wie schon im Vorjahr, den Meistertitel als reellen Wunsch angegeben?

Auch Bart Goor versicherte glaubwürdig, nichts zu wissen. Was ihn nicht daran hinderte, Stevens beizupflichten. „Er hat vollkommen Recht. Wir sind derzeit keine Spitzenmannschaft.“ Derzeit. Hätte er nach dem 0:3 in Bochum, der höchsten Saisonniederlage des Fußball-Bundesligisten, anderes gesagt, wäre das vermessen gewesen. In Bochum, wo es in 15 Gastspielen 14 Niederlagen gab, ist Hertha stets ein gern gesehener Gast, gehört das Punkte-Abliefern zum Standard. Doch das Wie und das blamable Ergebnis verbieten, den Anspruch zu stellen, eine Spitzenmannschaft zu sein.

Uli Hoeneß, Bayerns Manager, sprach im Zusammenhang mit Hertha mal vom „schlafenden Riesen“. Er müsse nur geweckt werden. Stevens sollte es richten. Anspruch und Wirklichkeit liegen jedoch noch immer weit auseinander. Nach elf Spieltagen steht Hertha auf Platz acht mit 12:11 Toren und 16 Punkten – das ist weit unterm Soll.

In der Vorsaison, unter Jürgen Röber, lag Hertha am elften Spieltag gleichfalls auf Rang acht, mit 17:17 Toren und 17 Punkten. Auch da hatte sich der Klub selbst hohe Vorgaben gestellt und war dann doch auf Mittelmaß gestutzt worden. „Vor allem war da, im Gegensatz zu diesmal, der Abstand nach ganz oben schon früh fast uneinholbar geworden“, erinnert sich Michael Hartmann. Selbst eine eindrucksvolle Serie von fünf Siegen und einem Unentschieden in sechs Spielen brachte nicht den erwünschten Anschluss. Am Ende reichte es nur zu Platz vier.

Vom Potenzial her müsste Hertha eigentlich eine Spitzenmannschaft sein. Mit einem Marcelinho, einem Luizao, einem Bart Goor. Doch ausgerechnet die Offensive hält nicht, was sie versprach. Trotz Marcelinho. Verlass ist allein auf die Abwehr. Obwohl gerade die durch die dauernden verletzungsbedingten Ausfälle von Dick van Burik, Denis Lapaczinski, Josip Simunic, Andreas Schmidt und Nené immer wieder umformiert werden musste, Gabor Kiraly noch längst nicht wieder an seine konstanten Leistungen früherer Jahre herankommt. Bis zum Sonntag, dem bitteren Spiel in Bochum, hatte Herthas Abwehr in zehn Spielen gerade mal acht Tore kassiert. Nur eins mehr als der Meister aus Dortmund.

Doch bei einem Trainer, der bei seinem Amtsantritt attraktives Offensivspiel versprochen hatte, kann eine (zumeist) starke Defensive allein nicht zufrieden stellen. Simunic, der nach wochenlanger Abwesenheit wegen eines Abrisses des Syndesmosebandes demnächst die Abwehr verstärken wird, ist jedoch überzeugt, dass es schon bald aufwärts gehen wird. „Im Moment sieht es nicht gut aus. Aber wir sind alle überzeugt, dass wir eine Spitzenmannschaft sind – und das werden wir auch beweisen.“ Also doch eine Spitzenmannschaft?

Klaus Rocca

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